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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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unvermittelt: »Geben Sie zu, daß gleich damals einer Ihrer Lieferanten, ein gewisser Lehmann, sich in Ihren Lokalitäten durch Erschießen das Leben genommen hat?« Und mit dämonischer Befriedigung blickte er auf Cohn, denn die Wirkung seiner Worte war außerordentlich. Cohn begann zu zappeln und nach Luft zu schnappen. »Die alte Verleumdung!« kreischte er. »Er hat es doch gar nicht meinetwegen getan! Er war unglücklich verheiratet! Mit der Geschichte haben die Leute mich schon einmal kaputtgemacht, und nun fängt der Mann wieder an!« Auch der Verteidiger protestierte. Sprezius hackte auf Cohn zu. Der Herr Staatsanwalt sei kein Mann! Und wegen des Ausdrucks Verleumdung nehme das Gericht den Zeugen in eine Ordnungsstrafe von fünfzig Mark. Damit war Cohn erledigt. Der Bruder des Herrn Buck ward vernommen. Ihn fragte Jadassohn geradeheraus: »Zeuge Buck, Sie haben ein notorisch schlechtgehendes Geschäft, wovon leben Sie?« Hier entstand ein solches Gemurmel, daß Sprezius schnell eingriff: »Herr Staatsanwalt, gehört das wirklich zur Sache?« Aber Jadassohn war allem gewachsen. »Herr Vorsitzender, die Anklagebehörde hat ein Interesse, den Nachweis zu erbringen, daß der Zeuge sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit von seinen Verwandten, besonders aber von seinem Schwager, dem Angeklagten, befindet. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen ist danach zu bemessen.« Der lange, elegante Herr Buck stand mit gesenktem Kopf da. »Das genügt«, erklärte Jadassohn; und Sprezius entließ diesen Zeugen. Seine fünf Töchter rückten unter den Blicken der Menge auf ihren Bänken zusammen wie eine Lämmerherde im Unwetter. Das minder gute Publikum der oberen Reihen lachte feindselig. Sprezius bat wohlwollend um Ruhe und ließ sich den Zeugen Heuteufel kommen.
    Wie nun Heuteufel die Hand zum Schwur hob, schleuderte Jadassohn ihm die seine mit einem dramatischen Wurf entgegen.
    »Ich möchte zunächst an den Zeugen die Frage richten, ob er zugibt, die das Delikt der Majestätsbeleidigung darstellenden Äußerungen des Angeklagten durch seine Zustimmung begünstigt und noch verschärft zu haben.« Heuteufel erwiderte: »Ich gebe gar nichts zu« — worauf Jadassohn ihm seine Aussage im Vorverhör entgegenhielt. Mit erhobener Stimme: »Ich beantrage Gerichtsbeschluß darüber, daß die Beeidigung dieses Zeugen unterbleiben soll, weil er der Teilnahme am Delikt verdächtig ist.« Noch schneidender: »Die Gesinnung des Zeugen darf als gerichtsnotorisch gelten. Der Zeuge gehört zu den von Seiner Majestät dem Kaiser mit Recht so genannten vaterlandslosen Gesellen. Überdies befleißigt er sich in regelmäßigen Versammlungen, die er als Sonntagsfeiern für freie Menschen bezeichnet, der Verbreitung des krassesten Atheismus, wodurch seine Tendenzen gegenüber einem christlichen Monarchen ohne weiteres charakterisiert sind.« Und Jadassohns Ohren strahlten Feuer aus, wie ein ganzes Glaubensbekenntnis. Wolfgang Buck stand auf, lächelte skeptisch und meinte, die religiösen Überzeugungen des Herrn Staatsanwalts seien offenbar von mönchischer Strenge, es könne ihm nicht zugemutet werden, daß er einen Nichtchristen für glaubwürdig halte. Das Gericht aber werde wohl anderer Meinung sein und den Antrag des Staatsanwalts ablehnen. Da wuchs Jadassohn furchtbar empor. Wegen der Verhöhnung seiner Person beantragte er gegen den Verteidiger eine Ordnungsstrafe von hundert Mark! Der Gerichtshof zog sich zur Beratung zurück. Sofort brach im Saal ein aufgeregtes Durcheinander von Meinungen aus. Doktor Heuteufel schob die Hände in die Taschen und maß mit langen Blicken Jadassohn, der, dem Schutze des Gerichts entzogen, von Panik ergriffen ward und gegen die Wand wich. Diederich war es, der ihm zu Hilfe kam, denn er hatte dem Herrn Staatsanwalt leise eine wichtige Mitteilung zu machen... Schon kehrten die Richter zurück. Die Beeidigung des Zeugen Heuteufel ward vorerst ausgesetzt. Der Verteidiger war wegen Verhöhnung des Herrn Staatsanwalts in eine Ordnungsstrafe von achtzig Mark genommen.
    In das weitere Verhör Heuteufels griff der Verteidiger ein, der vom Zeugen wissen wollte, wie er, als intimer Bekannter des Angeklagten, sein Familienleben beurteile. Heuteufel machte eine Bewegung, durch den Saal rauschte es: man hatte verstanden. Aber ob Sprezius die Frage zuließ? Er hatte schon den Mund geöffnet, um sie abzulehnen, begriff aber noch rechtzeitig, daß man einer Sensation nicht ausweichen dürfe — worauf Heuteufel den

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