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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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nicht gesehen?« fragte Louis und küßte Marthe auf die Stirn. »Hast du gut aufgepaßt?«
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Marthe strahlend. »Ich freue mich, dich zu sehen, weißt du.«
    »Freu dich nicht zu früh, meine Liebe. Wir sind aus der Scheiße noch nicht raus. Und ich frage mich, wie lange wir die Stellung noch halten können.«
    Er wies mit einer vagen Handbewegung auf die geschlossenen Fensterläden und auf Clement und ließ sich erschöpft und mit einer Hand in seinem schweiß verklebten schwarzen Haar auf die Bank fallen. Er dankte Marc mit einem Kopfnicken für das Bier, das der ihm anbot.
    »Machst du dir Sorgen wegen dem, was heute nacht passiert ist?« flüsterte Marthe.
    »Unter anderem. Hat man dir gesagt, daß er dank Luciens mütterlicher Aufmerksamkeit draußen war?« fragte Louis leise.
    Marthe antwortete nicht. Sie mischte die Karten.
    »Überlaß ihn mir einen Augenblick«, sagte Louis und deutete auf Clement. »Mach dir keine Sorgen, ich werde ihm das Hirn nicht zermürben.«
    »Warum sollte ich das glauben?«
    »Weil er uns das Hirn zermürbt.«
    Louis ergriff die Hand des jungen Mannes über den Tisch hinweg, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er bemerkte, daß Clement eine neue Uhr am Handgelenk trug.
    »Was ist das?« fragte er und zeigte auf die Uhr.
    »Das ist eine Uhr«, erwiderte Clement.
    »Ich will damit sagen: Wo hast du sie her?«
    »Der Typ hat mir die gegeben, der, der immer so schreit.«
    »Lucien?«
    »Ja. Das ist, um rechtzeitig zu sein.«
    »Du warst gestern abend draußen, nicht wahr?«
    Wie schon am Tage zuvor hielt Clement ohne Schwierigkeiten Louis' Blick stand.
    »Er hat mir gesagt, zwei Stunden rauszugehen, was mich betrifft. Ich habe draußen aufgepaßt.«
    »Weißt du, was heute nacht passiert ist?«
    »Das Mädchen«, sagte Clement. »Gab es da auch einen Farnkrauttopf?« fügte er plötzlich hinzu.
    »Nein, keinen Farn. Hätte es einen geben sollen? Warst du da und hast einen hingebracht?«
    »Aber nein. Niemand hat mich gebeten.«
    »Sehr gut. Was hast du gemacht?«
    »Im Kino.«
    »Um die Uhrzeit?«
    Clement wand seine Füße um die Stuhlbeine.
    »Das Kino mit den nackten Mädchen, das die ganze Nacht funktioniert«, erklärte er und fingerte am Armband seiner neuen Uhr herum.
    Louis seufzte und ließ die Hände auf den Tisch fallen.
    »Was ist?« Marthe mischte sich mit lauter Stimme ein. »Ist dir das nicht recht? Der Junge braucht ein bißchen Zerstreuung. Er ist doch ein Mann, oder?«
    »Schon gut, Marthe, schon gut«, unterbrach sie Louis leicht resigniert und stand von der Bank auf. »Ich gehe wieder«, fügte er hinzu und wandte sich zu Marc, der gerade sein Bügelbrett aufstellte. »Ich geh jetzt zu den Bullen.«
    Louis küßte Marthe, ohne etwas zu sagen, strich ihr mit der Hand über die Wange und verließ das Haus mit der Bierflasche in der Hand.
    Marc verharrte einen kurzen Augenblick unentschlossen bei seinem Bügelbrett, stellte dann das Eisen ab und ging ihm hinterher. Er erreichte Louis beim Auto und beugte sich zum Fenster hinunter.
    »Suchen dich die Bullen?« fragte er. »Was ist mit dir los?«
    »Nichts. Es ist dieser katastrophale Fall. Wir stecken bis zum Hals im Sumpf, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie wir da herauskommen. Ich bau Mist«, fügte er hinzu und schnallte sich an. »Marthe wartet, du wartest, die vierte Frau wartet, alle Welt wartet, und ich bau Mist.«
    Marc sah ihn wortlos an.
    »Wir werden doch wohl nicht für den Rest unseres Lebens hier im Dunkeln sitzen«, fuhr Louis leise fort, »und diesen Schwachkopf nämlich persönlich schützen und dabei unermüdlich Opfer zählen?«
    »Du hattest gesagt, daß es nicht zehntausend Opfer geben würde. Du hattest gesagt, Clement sei es nicht gewesen.«
    Louis wischte sich den Schweiß ab, der ihm von der Stirn rann. Er trank ein paar Schlucke von seinem warmen Bier.
    »Ja, das habe ich gesagt. Und was beweist es? Ich rede zur Zeit nur Blödsinn. Clement kotzt mich an. Er und der ›Schnitter‹ sind dasselbe Kaliber.«
    »Hast du den ›Schnitter‹ gesehen? Was hat er gestern nacht gemacht?«
    »Dasselbe wie Clement Vauquer. Sich mit Pornographie beschäftigt.«
    Louis trommelte auf das Lenkrad.
    »Ich frage mich, wer hier verrückt spielt«, fügte er hinzu, den Blick vor sich ins Leere gerichtet. »Sie oder ich? Ich liebe die Frauen - einschließlich ihres Gesichts und mit ihrer Einwilligung. Die dagegen geilen sich an anonymen Körperteilen auf, für

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