Der untröstliche Witwer von Montparnasse
die sie zehn Francs zahlen. Das nehm ich ihnen übel. Die kotzen mich an.«
Louis schwieg, eine Hand auf dem glühendheißen Lenkrad.
»Und du?« fragte er. »Kaufst du dir welche?«
»Ich bin kein gutes Beispiel.«
»Nein?«
»Nein. Ich bin anspruchsvoll und launisch, ich will, daß man mich ansieht, und ich will, daß man mich bewundert. Was sollte ich mit einem Bild?«
»Ziemlich ehrgeizig«, bemerkte Louis träge. »Wie dem auch sei, ich frage mich trotzdem, wer hier verrückt spielt.«
Louis hob die linke Hand, was bei ihm Zweifel und Verwirrung bedeutete.
»Paß gut auf unseren Trottel auf«, fügte er mit schwachem Lächeln hinzu und ließ den Motor an.
Marc winkte lässig, während das Auto sich entfernte. Dann machte er sich wieder auf den Rückweg zur Baracke, wo ihn im Erdgeschoß das Bügelbrett und im zweiten Stock die Pachtverträge des 13. Jahrhunderts erwarteten. Eine Baracke nur mit Männern. Marc seufzte und überquerte langsam die heiße Straße. Das Gespräch mit Louis hatte ihn ein wenig deprimiert. Er mochte es nicht, wenn ihm zu viel von Frauen erzählt wurde, wenn er gerade ganz allein war, das heißt, eigentlich war er schon seit fast ununterbrochen drei Jahren allein, so schien es ihm.
26
Es hatte Louis beträchtlich erleichtert, seine Zweifel - und im Grunde auch seine schlechte Laune - an Marc weitergegeben zu haben. Er betrat entschlossenen Schrittes das Kommissariat, wo Lärm und Hitze herrschten und jede Menge Typen herumrannten. Loisel zwängte sich zwischen den Schreibtischen hindurch und begleitete eilig den Kommissar vom 17. Arrondissement, der für die Rue de l'Etoile zuständig war, zur Tür. Er entdeckte Louis und gab ihm ein Zeichen.
»Ich muß dich sprechen«, sagte er und trennte sich von seinem Kollegen. »Komm mit. Du hattest recht.«
Er ging zurück in sein Büro, warf die Tür zu und breitete etwa fünfzehn Fotos von dem Mord am Vorabend auf seinem überquellenden Schreibtisch aus.
»Paule Bourgeay, dreiunddreißig Jahre, alleinstehend, wurde allein in ihrer Wohnung überrascht, genau wie die beiden anderen.«
»Auch hier keinerlei Zusammenhang zu den anderen Frauen?«
»Sie sind sich nie im Leben begegnet, nicht mal in der Metro. Sie leben allein, sie sind relativ jung. Keine Schönheiten.«
»Dasselbe System?« fragte Louis, der sich über die Fotos beugte.
»Dasselbe. Lappen in den Mund, Erwürgen, überall auf dem Oberkörper Einstiche von einer Schere oder einer Ahle oder so etwas, richtig widerlich. Und da«, sagte Loisel und pochte auf ein Foto, »sind die Spuren auf dem Boden, auf die du mich hingewiesen hast. Ich muß gestehen, daß ich nichts bemerkt hätte, wenn du mich nicht drauf gestoßen hättest, danke dafür. Im Augenblick führt das aber noch nirgends hin. Ich habe Vergrößerungen machen lassen, darauf sieht man es sehr gut.«
Loisel hielt Louis einen Abzug hin. Auf dem Teppichboden waren rechts vom Kopf deutlich Kratzspuren zu sehen, die sich überkreuzten, als sei eine Hand wie ein Rechen über den Teppich gefahren.
»Fingerspuren«, sagte Louis. »Denkst du das auch?«
»Ja. Es sieht so aus, als hätte der Typ mehrfach versucht, irgend etwas aufzusammeln. Vielleicht seine Ahle?«
»Nein«, erwiderte Louis nachdenklich.
»Nein«, bestätigte Loisel. »Es ist etwas anderes. Die Teppichbodenfliese ist herausgenommen und ins Labor gebracht worden. Im Augenblick haben wir nichts Überzeugendes.«
Loisel zündete sich eine seiner schmalen Zigaretten an.
»Aber diesmal hat niemand in den Tagen vor dem Mord unseren Herumtreiber auf der Straße gesehen«, sagte er. »Und kein Farnkraut in der Wohnung. Meiner Meinung nach hast du richtig gelegen: Seit dem Phantombild versteckt sich unser Mann.«
»Glaubst du?« fragte Louis in gleichgültigem Ton.
»Da leg ich meine Hand für ins Feuer. Er hat sich mit Komplizen zusammengetan. Oder«, fügte er nach einer Pause hinzu, »er hat es geschafft, sich ein paar arme Deppen zu kaufen, die ihn schützen.«
»Ach so, natürlich«, sagte Louis. »Das ist natürlich auch möglich.«
»Normalerweise sucht man bei so einem Fall in der Familie. Ein Bruder, ein Onkel ... und vor allem die Mutter, das habe ich dir ja schon gesagt. Aber bei ihm ist das nutzlos. Er hat keine mehr.«
»Woher weißt du das?«
»Weil wir seinen Namen haben!« verkündete Loisel und begann plötzlich zu lachen, während er seine Hände aneinanderpreßte, als hätte er ein Insekt gefangen.
Louis ließ sich nach
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