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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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rufe später wieder an.«
    Er schüttelte dem jungen Guy die Hand und klopfte zehn Minuten später an die Tür der Bruchbude. Es war abgeschlossen, und nichts rührte sich. Er legte seine Tasche vor der Tür ab und ging um das Haus herum. Von hinten erreichte man die drei hohen Fenster des Erdgeschosses, die auf ein etwas größeres Stück Garten hinausgingen.
    Marc nannte es »das Rodeland« im Gegensatz zur »Brache«, weil er dort ein bißchen Unkraut gejätet und Mathias ein paar Kartoffeln gepflanzt hatte. Louis schlug mehrmals an den Fensterladen und rief dabei seinen Namen, um die Bewacher von Clement nicht zu verschrecken.
    »Ich mach dir auf!« rief die Stimme von Vandoosler dem Älteren.
    Vandoosler begrüßte ihn mit einer Weinflasche in der Hand.
    »Salut, Deutscher. Wir spielen gerade alle drei eine Partie Mäxchen.«
    »Wer, ›alle drei‹?«
    »Wir drei, ich, Marthe und ihr Junge.«
    Louis betrat das Refektorium und sah Clement rittlings auf der Holzbank sitzen, die alte Marthe an seiner Seite. Auf dem Tisch standen Gläser und lagen Zettel, um die Punkte aufzuschreiben.
    »Wo sind die anderen?« fragte Louis.
    »Die Evangelisten? Ausgegangen, spazieren.«
    »Aha. Alle drei zusammen?«
    »Ich hab keine Ahnung. Das ist ihre Sache. Spielst du mit?«
    »Nein, ich trink einen Kaffee, wenn noch welcher übrig ist.«
    »Bedien dich«, erwiderte der Pate und nahm seinen Platz in der Spielrunde wieder ein. »Da ist welcher in der Kanne.«
    »Vandoos«, sagte Louis, während er sich einschenkte, »Es kann sein, daß der ›Schnitter‹ wirklich der zweite Vergewaltiger ist.«
    »Tschik«, flüsterte Clement.
    »Und es kann auch sein, daß er und Rousselet dafür bezahlt worden sind. Der dritte Mann bei der Vergewaltigung, ganz sicher der Auftraggeber, bleibt noch im dunkeln. Und wahrscheinlich ist er die große Gefahr. Möglicherweise ein Bekannter des ›Schnitters‹.«
    Vandoosler drehte sich zu Louis um.
    »Und noch was Schlimmeres«, sagte Louis. »Ich habe einen Fehler gemacht. Lucien hatte recht.«
    »Aha«, bemerkte der Pate unbeteiligt.
    »Aber ich konnte nicht ahnen, daß dieses Gedicht im vergangenen Dezember überall in der Metro und in den Vorortzügen plakatiert worden ist.«
    »Ist das von Bedeutung?«
    »Das ändert alles. Der Mörder hat das Gedicht nicht gesucht. Er ist drüber gestolpert.«
    »Ich verstehe«, bemerkte Vandoosler und warf die Würfel auf das Tablett.
    »Sechshundertfünfundsechzig, blank«, verkündete Marthe.
    »Sechs, sechs, fünf«, trällerte Clement.
    Louis warf Marthes Puppe einen Blick zu. Er schien sich inzwischen in diesem Haus ganz wohl zu fühlen. Louis verstand das. Der Kaffee war hier besser als überall sonst, selbst wenn er kalt war, wie heute abend. Es war ein ganz und gar beruhigender Kaffee. Das mußte am Wasser liegen, vielleicht auch am Haus.
    »Ich habe versucht, Kontakt mit Loisel aufzunehmen«, sagte er, »aber er ist nicht mehr im Kommissariat. Nicht zu erreichen.«
    »Was willst du von ihm?«
    »Ich will ihn davon überzeugen, die Straßen überwachen zu lassen. Aber verdammt, wir können vor morgen abend nichts tun.«
    »Wenn dich das trösten kann: Die Evangelisten haben gestern abend mit der Überwachung begonnen. Heute abend haben sie sich alle drei postiert. Der heilige Lukas ißt ein baskisches Huhn in der Rue de la Lune, der heilige Markus und der heilige Matthäus essen Sandwiches in der Rue du Soleil und der Rue du Soleil d'or.«
    Louis musterte schweigend den alten Bullen, der lächelnd neu würfelte, und Marthe, die an ihrer kleinen Zigarre zog, während sie ihm einen raschen Blick zuwarf. Er fuhr sich mehrmals mit den Händen durch sein schwarzes Haar, das noch immer vom Regen naß war.
    »Drei, drei, eins«, trällerte Clement leise.
    »Das ist Meuterei«, sagte Louis und trank einen Schluck kalten Kaffee.
    »Genau das hat Lucien auch gesagt. Er hat gesagt, es würde ihn an 1917 erinnern. Alle halten nach dem ›Schnitter‹ oder dem alten Bildhauer Ausschau. Aber wenn es sich, wie du sagst, um den dritten Mann handelt, haben sie keine Chance. Die Bullen müßten bei allen alleinstehenden jungen Frauen in den drei Straßen vorbeigehen, um sie zu warnen. Und dann eine Falle aufstellen.«
    »Warum hat man mir nichts davon gesagt?«
    Vandoosler der Ältere zuckte mit den Schultern.
    »Du warst dagegen.«
    Louis nickte und schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein.
    »Du hast nicht zufällig ein bißchen Brot?« fragte er. »Ich habe nicht

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