Der Unwillige Braeutigam
Augen den Saal ab, bis er sie entdeckte; sein Blick blieb an ihr hängen. Er sagte etwas zur Countess und machte sich auf den Weg zu Elizabeth, und seine langen Schritte überwanden die Entfernung zwischen ihnen in Rekordzeit. Während der ganzen Zeit wandte er nicht einmal den Blick von ihr ab.
Elizabeth hatte das Gefühl, als sei ihr das Herz in den Hals geklettert. Atmen wurde lachhaft schwierig, erforderte zu viel Überlegung und Aufmerksamkeit. Als er näher kam, blinzelte sie nicht, weil sie zu entdecken fürchtete, dass es nichts als ein Traum sei.
Als er schließlich vor ihr stand, verneigte er sich förmlich und überaus elegant, sagte ihren Namen, was praktisch eine Liebkosung war.
„Guten Abend, die Damen.“ Er neigte den Kopf in einer Verbeugung zu Catherine und Miss Hawkins. Catherine antwortete darauf mit einem kleinen Knicks, und Dawn Hawkins warf sich in die Brust.
„Miss Smith, darf ich um den nächsten Tanz bitten?“
Er bat um einen Tanz. Oder war das wieder irgendein Spielchen?
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Mylord …“
„Ich weigere mich, ein Nein zu akzeptieren.“ Er trat noch einen Schritt näher und stand nun viel zu dicht vor ihr.
Elizabeth riss ihren Blick von seinem los und schaute sich rasch um. Sie wurden mit unverhohlenem Interesse von zu vielen Gästen beobachtet. Catherine nickte, eine kaum merkliche Bewegung ihres Kopfes, gab ihr wortlos zu verstehen, dass eine Weigerung keinesfalls ratsam war.
Nicht, wenn Elizabeth keine Szene machen wollte. Und sie war nicht gewillt, eine weitere Runde in dem Spielchen „Wer blinzelt zuerst?“ mit dem Viscount zu beginnen.
Sie willigte stumm ein, legte ihm ihre im Seidenhandschuh steckende Hand auf den angebotenen Arm. Bei dem Kontakt breitete sich sofort Hitze in ihr aus, erschreckte sie. Sie hätte sich auch den Handschuh ausziehen können – er war weiß, wie es sich gehörte – und ihn über ihrem Kopf schwenken als Zeichen, dass ihre Unterwerfung vollkommen war. Das hier ist ein Tanz, mehr nicht.
Etwa so wie Buckingham auch bloß ein Haus war und Victoria einfach eine Frau, die es vorzog, dort zu wohnen.
Der Viscount hielt seinen Blick auf sie gerichtet, als er sie in die Mitte der Tanzfläche führte, wo sie sich zu den Paaren gesellten, die sich dort aufgestellt hatten, um eine Quadrille zu tanzen.
Die Musik erklang, und die mehr als ein Dutzend Paare setzten sich gleichzeitig in Bewegung. Elizabeth und Derek bewegten sich so harmonisch miteinander, dass man meinen könnte, sie tanzten seit Jahren. Aber im Grunde genommen war der Liebesakt ja auch nichts anderes als ein allerdings schamloser Tanz, oder?
Seine Finger schlossen sich um ihre, besitzergreifend und fest. Ihre Blicke trafen sich, und in seinem glomm eine Eindringlichkeit, die ihr den Atem raubte und ihr Herz wilder klopfen machte. Sie blinzelte und schaute fort.
Nach mehreren Minuten, als ihre Neugier ihr einfach keine Ruhe ließ, fragte sie: „Was tun Sie hier?“
Seine Mundwinkel hoben sich. „Ich tanze. Stelle ich mich dabei so jämmerlich an?“
Der Tanz trennte sie. Er wirbelte sie zweimal herum, umkreiste sie und zog sie dann wieder an sich. Er tanzte tadellos, wie er sehr gut wusste.
„Haben Sie vergessen, dass Sie mich verabscheuen? Sie glauben, ich sei eine von den lügnerischen, hinterlistigen Smiths.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, aber ihre Stimme enthielt eine Schärfe, von der sie hoffte, sie verletzte ihn so, wie er sie verletzt hatte.
„Glauben Sie mir … meine Gefühle Ihnen gegenüber haben nichts mit Abscheu zu tun.“ Er betrachtete ihren Mund, während er mit seinem Daumen über ihren rieb.
Sie spürte die Intimität der Berührung durch den Stoff ihres Handschuhes. Ein herrliches Prickeln – wie tausende kleine Nadelstiche – breitete sich in ihr aus. Es fühlte sich an wie plötzliche Hitze auf von Kälte tauber Haut. Die Wiederkehr von Empfindungen: Erleichterung, Freude und Schmerz.
Ehe sie sich in Verlegenheit brachte, indem sie etwas Dummes tat – wie beispielsweise auf dem Parkett dahinzuschmelzen, verkündeten die letzten Töne des Cellos das Ende des Tanzes. Gerettet.
„Sollen wir?“ Derek bot ihr seinen rechten Arm. Sie nahm ihn, war im Moment sogar dankbar, dass etwas da war, worauf sie sich stützen konnte.
Allerdings war diese Stütze genau der Grund, weswegen sie die Stütze überhaupt erst brauchte. Aber sie zog ihre Hand nicht weg. Ein weiterer Beweis der Unersättlichkeit, unter der sie
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