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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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zu heirathen und keinen andern? Und wenn eine Ausnahme gemacht werden soll, wer ist so kompetent, sie dazu zu bevollmächtigen wie derjenige, der ihr dies Vermögen vermacht hat, ihr erster Mann? Im Augenblick wo er ihr einen Vermögenstheil vermacht und ihr gleichzeitig erlaubt, diesen Vermögenstheil durch Heirath oder in Folge von Heirath in eine fremde Gens zu übertragen, gehört ihm dies Vermögen noch, er verfügt also buchstäblich nur über sein Eigenthum. Was die Frau selbst angeht und ihr Verhältniß zur Gens ihres Mannes, so ist er es, der sie in diese Gens durch einen freien Willensakt – die Heirath – eingeführt hat; es scheint also ebenfalls natürlich, daß er die geeignete Person ist, sie zum Austritt aus dieser Gens durch zweite Heirath zu bevollmächtigen. Kurzum, die Sache scheint einfach und selbstverständlich, so bald wir die wunderbare Vorstellung von der endogamen römischen Gens fallen lassen und sie mit Morgan als ursprünglich exogam fassen.
    Es bleibt noch eine letzte Annahme, die auch ihre Vertreter gefunden hat, und wohl die zahlreichsten: Die Stelle besage nur, »daß freigelaßne Mägde (libertae) nicht ohne besondre Bewilligung e gente enubere (aus der Gens ausheirathen) oder sonst einen der Akte vornehmen durften, der, mit capitis deminutio minima verbunden, den Austritt der liberta aus dem Gentilverbande bewirkt hätte.« (Lange, Römische Alterthümer, Berlin 1856, I, S. 195, wo sich auf Huschke zu unsrer livianischen Stelle bezogen wird.) Ist diese Annahme richtig, so beweist die Stelle für die Verhältnisse vollfreier Römerinnen erst recht nichts und kann von einer Verpflichtung derselben, innerhalb der Gens zu heirathen, erst recht nicht die Rede sein.
    Der Ausdruck enuptio gentis kommt nur in dieser einen Stelle, und sonst in der ganzen römischen Literatur nicht mehr vor; das Wort enubere , ausheirathen, nur dreimal, ebenfalls bei Livius, und dann nicht in Beziehung auf die Gens. Die Phantasie, daß Römerinnen nur innerhalb der Gens heirathen durften, verdankt nur dieser einen Stelle ihre Existenz. Sie kann aber absolut nicht aufrecht erhalten werden. Denn entweder bezieht sich die Stelle auf besondre Beschränkungen für Freigelaßne, und dann beweist sie nichts für Vollfreie (ingenuaes) ; oder aber sie gilt auch für Vollfreie, und dann beweist sie vielmehr, daß die Frau in der Regel außer ihrer Gens heirathete, aber mit der Heirath in die Gens des Mannes übertrat; also gegen Mommsen und für Morgan. –
    Noch fast dreihundert Jahre nach Gründung Roms waren die Gentilbande so stark, daß eine patricische Gens, die der Fabier, mit Einwilligung des Senats einen Kriegszug gegen die Nachbarstadt Veji auf eigne Faust unternehmen konnte. 306 Fabier sollen ausgezogen und in einem Hinterhalt sämmtlich erschlagen worden sein; ein einziger zurückgebliebner Knabe habe die Gens fortgepflanzt.
    Zehn Gentes bildeten, wie gesagt, eine Phratrie, die hier Curie hieß, und wichtigere öffentliche Befugnisse erhielt als die griechische Phratrie. Jede Curie hatte ihre eignen Religionsübungen, Heiligthümer und Priester; diese letzteren, in ihrer Gesammtheit, bildeten eins der römischen Priesterkollegien. Zehn Curien bildeten einen Stamm, der wahrscheinlich, wie die übrigen latinischen Stämme, ursprünglich einen gewählten Vorsteher – Heerführer und Oberpriester – hatte. Die Gesammtheit der drei Stämme bildete das römische Volk, den Populus Romanus.
    Dem römischen Volk konnte also nur angehören, wer Mitglied einer Gens, und durch sie einer Curie und eines Stammes war. Die erste Verfassung dieses Volkes war folgende. Die öffentlichen Angelegenheiten wurden besorgt zunächst durch den Senat, der, wie Niebuhr zuerst richtig gesehn, aus den Vorstehern der dreihundert Gentes zusammengesetzt war; eben deßwegen, als Gentilälteste, hießen sie Väter, patres , und ihre Gesammtheit Senat (Rath der Aeltesten, von senex , alt). Die gewohnheitsmäßige Wahl aus immer derselben Familie jeder Gens rief auch hier den ersten Stammesadel in's Leben; diese Familien nannten sich Patricier und nahmen ausschließliches Recht des Eintritts in den Senat und alle andern Aemter in Anspruch. Daß das Volk sich diesen Anspruch mit der Zeit gefallen ließ und er sich in ein wirkliches Recht verwandelte, drückt die Sage dahin aus, daß Romulus den ersten Senatoren und ihren Nachkommen das Patriciat mit dessen Vorrechten ertheilt habe. Der Senat, wie die athenische Bulê, hatte die

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