Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats
Entscheidung in vielen Angelegenheiten, die Vorberathung in wichtigeren und namentlich bei neuen Gesetzen. Diese wurden entschieden durch die Volksversammlung, genannt comitia curiata (Versammlung der Curien). Das Volk kam zusammen, in Curien gruppirt, in jeder Curie wahrscheinlich nach Gentes, bei der Entscheidung hatte jede der dreißig Curien eine Stimme. Die Versammlung der Curien nahm an oder verwarf alle Gesetze, wählte alle höhern Beamten mit Einschluß des Rex (sogenannten Königs), erklärte Krieg (aber der Senat schloß Frieden) und entschied als höchstes Gericht, auf Berufung der Betheiligten, in allen Fällen, wo es sich um Todesstrafe gegen einen römischen Bürger handelte. – Endlich stand neben Senat und Volksversammlung der Rex, der genau dem griechischen Basileus entsprach, und keineswegs der fast absolute König war, als den Mommsen ihn darstellt. [Fußnote: Das lateinische Rex ist das keltisch-irische righ (Stammesvorsteher) und das gothische reiks ; daß dies ebenfalls, wie ursprünglich auch unser Fürst (d. h. wie englisch first , dänisch förste , der erste) Gentil- oder Stammesvorsteher bedeutete, geht hervor daraus, daß die Gothen schon im vierten Jahrhundert ein besonderes Wort für den späteren König, den Heerführer eines gesammten Volkes, besaßen: thiudans . Artaxerxes und Herodes heißen in Ulfilas Bibelübersetzung nie reiks , sondern thiudans und das Reich des Kaisers Tiberius nicht reiki , sondern thiudinassus . Im Namen des gothischen Thiudans, oder wie wir ungenau übersetzen, Königs Thiudareiks, Theodorich, d. h. Dietrich, stießen beide Benennungen zusammen.] Auch er war Heerführer, Oberpriester und Vorsitzer in gewissen Gerichten. Civilbefugnisse oder Macht über Leben, Freiheit und Eigenthum der Bürger hatte er durchaus nicht, soweit sie nicht aus der Disciplinargewalt des Heerführers oder der urtheilsvollstreckenden Gewalt des Gerichtsvorsitzers entsprangen. Das Amt des Rex war nicht erblich; er wurde im Gegentheil, wahrscheinlich auf Vorschlag des Amtsvorgängers, von der Versammlung der Curien zuerst gewählt und dann in einer zweiten Versammlung feierlich eingesetzt. Daß er auch absetzbar war, beweist das Schicksal des Tarquinius Superbus.
Wie die Griechen zur Heroenzeit, lebten also die Römer zur Zeit der sogenannten Könige in einer auf Gentes, Phratrien und Stämmen begründeten und aus ihnen entwickelten militärischen Demokratie. Mochten auch die Curien und Stämme zum Theil künstliche Bildungen sein, sie waren geformt nach den echten, naturwüchsigen Vorbildern der Gesellschaft, aus der sie hervorgegangen und die sie noch auf allen Seiten umgab. Mochte auch der naturwüchsige patricische Adel bereits Boden gewonnen haben, mochte die Reges ihre Befugnisse allmälig zu erweitern suchen – das ändert den ursprünglichen Grundcharakter der Verfassung nicht, und auf diesen allein kommt es an.
Inzwischen vermehrte sich die Bevölkerung der Stadt Rom und des römischen, durch Eroberung erweiterten Gebiets theils durch Einwanderung, theils durch die Bewohner der unterworfnen, meist latinischen Bezirke. Alle diese neuen Staatsangehörigen (die Frage wegen der Klienten lassen wir hier bei Seite) standen außerhalb der alten Gentes, Curien und Stämme, bildeten also keinen Theil des populus romanus , des eigentlichen römischen Volks. Sie waren persönlich freie Leute, konnten Grundeigentum besitzen, mußten steuern und Kriegsdienste leisten. Aber sie konnten keine Aemter bekleiden und weder an der Versammlung der Curien theilnehmen, noch an der Vertheilung der eroberten Staatsländereien. Sie bildeten die von allen öffentlichen Rechten ausgeschlossene Plebs. Durch ihre stets wachsende Zahl, ihre militärische Ausbildung und Bewaffnung wurden sie eine drohende Macht gegenüber dem alten, gegen allen Zuwachs von Außen jetzt fest abgeschlossenen Populus. Dazu kam, daß der Grundbesitz zwischen Populus und Plebs ziemlich gleichmäßig vertheilt gewesen zu sein scheint, während der allerdings noch nicht sehr entwickelte kaufmännische und industrielle Reichthum wohl vorwiegend bei der Plebs war.
Bei der großen Dunkelheit, worin die ganz sagenhafte Urgeschichte Roms gehüllt ist – eine Dunkelheit, noch bedeutend verstärkt durch die rationalistisch-pragmatischen Deutungsversuche und Berichte der späteren juristisch gebildeten Quellenschriftsteller – ist es unmöglich, weder über Zeit, noch Verlauf, noch Anlaß der Revolution etwas Bestimmtes zu sagen,
Weitere Kostenlose Bücher