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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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vorigen Jahrhunderts in voller Blüte und erlag auch hier nur den Waffen, der Gesetzgebung und den Gerichtshöfen der Engländer.
    Die altwalisischen Gesetze, die mehrere Jahrhunderte vor der englischen Eroberung, spätestens im elften Jahrhundert, niedergeschrieben wurden, zeigen noch gemeinschaftlichen Ackerbau ganzer Dörfer, wenn auch nur als ausnahmsweisen Rest früherer allgemeiner Sitte; jede Familie hatte fünf Acker zur eignen Bebauung; ein Stück wurde daneben gemeinsam bebaut und der Ertrag vertheilt. Daß diese Dorfgemeinden Gentes repräsentiren, oder Unterabtheilungen von Gentes, ist bei der Analogie von Irland und Schottland nicht zu bezweifeln, selbst wenn eine erneuerte Prüfung der walisischen Gesetze, zu der mir die Zeit fehlt (meine Auszüge sind vom Jahr 1869), dies nicht direkt beweisen sollte. Was aber die walisischen Quellen, und mit ihnen die irischen, direkt beweisen, ist, daß bei den Kelten die Paarungsehe im elften Jahrhundert noch keineswegs durch die Monogamie verdrängt war. In Wales wurde eine Ehe erst unlöslich oder besser unkündbar nach sieben Jahren. Fehlten nur drei Nächte an den sieben Jahren, so konnten die Gatten sich trennen. Dann wurde getheilt: die Frau theilte, der Mann wählte sein Theil. Die Möbel wurden nach gewissen, sehr humoristischen Regeln getheilt. Löste der Mann die Ehe, so mußte er der Frau ihre Mitgift und einiges Andre zurückgeben; war es die Frau, so erhielt sie weniger. Von den Kindern bekam der Mann zwei, die Frau eines, und zwar das mittelste. Wenn die Frau nach der Scheidung einen andern Mann nahm, und der erste Mann holte sie sich wieder, so mußte sie ihm folgen, auch wenn sie schon einen Fuß im neuen Ehebett hatte. Waren die Beiden aber sieben Jahre zusammengewesen, so waren sie Mann und Frau, auch ohne vorherige förmliche Heirath. Keuschheit der Mädchen vor der Heirath wurde durchaus nicht streng eingehalten oder gefordert; die hierauf bezüglichen Bestimmungen sind äußerst frivoler Natur und keineswegs der bürgerlichen Moral gemäß. Beging eine Frau einen Ehebruch, so durfte der Mann sie prügeln (einer der drei Fälle, wo ihm dies erlaubt, sonst verfiel er in Strafe), dann aber weiter keine Genugthuung fordern, denn »für dasselbe Vergehen soll entweder Sühnung sein oder Rache, aber nicht beides zugleich.« Die Gründe, auf die hin die Frau die Scheidung verlangen durfte, ohne in ihren Ansprüchen bei der Auseinandersetzung zu verlieren, waren sehr umfassender Art: übler Athem des Mannes genügte. Das an den Stammeshäuptling oder König zu zahlende Loskaufgeld für das Recht der ersten Nacht ( gobr merch , daher der mittelalterliche Name marcheta , französisch marquette ) spielt eine große Rolle im Gesetzbuch. Die Weiber hatten Stimmrecht in den Volksversammlungen. Fügen wir hinzu, daß in Irland ähnliche Verhältnisse bezeugt sind; daß dort ebenfalls Ehen auf Zeit ganz gebräuchlich und der Frau bei der Trennung genau geregelte, große Begünstigungen, sogar Entschädigung für ihre häuslichen Dienste zugesichert waren; daß dort eine »erste Frau« neben andern Frauen vorkommt und bei Erbtheilungen zwischen ehelichen und unehelichen Kindern kein Unterschied gemacht wird – so haben wir ein Bild der Paarungsehe, wogegen die in Nordamerika gültige Eheform streng erscheint, wie es aber im elften Jahrhundert bei einem Volk nicht verwundern kann, das noch zu Cäsar's Zeit in der Gruppenehe lebte.
    Die irische Gens (Sept, der Stamm heißt Clainne, Clan) wird nicht nur durch die alten Rechtsbücher, sondern auch durch die, zur Verwandlung des Clanlandes in Domäne des englischen Königs hinübergesandten englischen Juristen des siebzehnten Jahrhunderts bestätigt und beschrieben. Der Boden war bis zu dieser letzteren Zeit Gemeineigenthum des Clans oder der Gens, soweit er nicht bereits von den Häuptlingen in ihre Privatdomäne verwandelt worden war. Wenn ein Gentilgenosse starb, also eine Haushaltung einging, so nahm der Vorsteher ( caput cognationis nannten ihn die englischen Juristen) eine neue Landtheilung des ganzen Gebiets unter den übrigen Haushaltungen vor. Diese muß im Ganzen nach den in Deutschland gültigen Regeln erfolgt sein. Noch jetzt finden sich einige – vor vierzig oder fünfzig Jahren sehr zahlreiche – Dorffluren in s. g. Rundale.
    Die Bauern, Einzelpächter des früher der Gens gemeinsam gehörigen, vom englischen Eroberer geraubten Bodens, zahlen jeder die Pacht für sein Stück, werfen aber das Acker-

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