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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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war hier schon in der ersten Anlage vorhanden. Nach Eroberung des Römerreichs bildeten diese Gefolgsleute der Könige neben den unfreien und römischen Hofbedienten den zweiten Hauptbestandtheil des späteren Adels.
    Im Ganzen gilt also für die zu Völkern verbündeten deutschen Stamme dieselbe Verfassung, wie sie sich bei den Griechen der Heroenzeit und den Römern der sogenannten Königszeit entwickelt hatte: Volksversammlung, Rath der Gentilvorsteher, Heerführer, der schon einer wirklichen königlichen Gewalt zustrebt. Es war die ausgebildetste Verfassung, die die Gentilordnung überhaupt entwickeln konnte; sie war die Musterverfassung der Oberstufe der Barbarei. Schritt die Gesellschaft hinaus über die Grenzen, innerhalb deren diese Verfassung genügte, so war es aus mit der Gentilordnung; sie wurde gesprengt, der Staat trat an ihre Stelle.

VIII. Die Staatsbildung der Deutschen.
    Die Deutschen waren nach Tacitus ein sehr zahlreiches Volk. Eine ungefähre Vorstellung von der Stärke deutscher Einzelvölker erhalten wir bei Cäsar; er gibt die Zahl der auf dem linken Rheinufer erschienenen Usipeter und Tenkterer auf 180,000 Köpfe an, Weiber und Kinder eingeschlossen. Also etwa 100,000 auf ein Einzelvolk, [Fußnote: Die hier angenommene Zahl wird bestätigt durch eine Stelle Diodors über die gallischen Kelten: »In Gallien wohnen viele Völkerschaften von ungleicher Stärke. Bei den größten beträgt die Menschenzahl ungefähr 200,000, bei den kleinsten 50,000.« ( Diodorus Siculus , V, 25.) Also durchschnittlich 125,000; die gallischen Einzelvölker sind, bei ihrem höheren Entwicklungsstand, unbedingt etwas zahlreicher anzunehmen als die deutschen.] schon bedeutend mehr als z. B. die Gesammtheit der Irokesen in ihrer Blütezeit, wo sie, nicht 20,000 Köpfe stark, der Schrecken des ganzen Landes wurden, von den großen Seen bis an den Ohio und Potomac. Ein solches Einzelvolk nimmt auf der Karte, wenn wir versuchen, die in der Nähe des Rheins angesessenen, genauer bekannten nach den Berichten zu gruppiren, im Durchschnitt ungefähr den Raum eines preußischen Regierungsbezirks ein, als etwa 10,000 Quadratkilometer oder 182 geographische Quadratmeilen. Germania Magna der Römer aber, bis an die Weichsel, umfaßt in runder Zahl 500,000 Quadratkilometer. Bei einer durchschnittlichen Kopfzahl der Einzelvölker von 100,000, würde die Gesammtzahl für Germania Magna sich auf fünf Millionen berechnen; für eine barbarische Völkergruppe eine ansehnliche Zahl, für unsre Verhältnisse – 10 Köpfe auf den Quadratkilometer oder 550 auf die geographische Quadratmeile – äußerst gering. Damit aber ist die Zahl der damals lebenden Deutschen keineswegs erschöpft. Wir wissen, daß die Karpathen entlang bis zur Donaumündung hinab deutsche Völker gothischen Stamms wohnten, Bastarner, Peukiner und andre, so zahlreich, daß Plinius aus ihnen den fünften Hauptstamm der Deutschen zusammensetzt und daß sie, die schon 180 vor unsrer Zeitrechnung im Solddienst des makedonischen Königs Perseus auftreten, noch in den ersten Jahren des Augustus bis in die Gegend von Adrianopel vordrangen. Rechnen wir sie nur für eine Million, so haben wir als wahrscheinliche Anzahl der Deutschen zu Anfang unsrer Zeitrechnung mindestens sechs Millionen.
    Nach der Niederlassung in Germanien muß sich die Bevölkerung mit steigender Geschwindigkeit vermehrt haben; die oben erwähnten industriellen Fortschritte allein würden dies beweisen. Die schleswig'schen Moorfunde sind, nach den zugehörigen römischen Münzen, aus dem dritten Jahrhundert. Um diese Zeit herrschte also schon an der Ostsee ausgebildete Metall- und Textilindustrie, reger Verkehr mit dem Römerreich und ein gewisser Luxus bei Reicheren – Alles Spuren dichterer Bevölkerung. Um diese Zeit aber beginnt auch der allgemeine Angriffskrieg der Deutschen auf der ganzen Linie des Rheins, des römischen Grenzwalls und der Donau, von der Nordsee bis zum schwarzen Meer – direkter Beweis der immer stärker werdenden, nach Außen drängenden Volkszahl. Dreihundert Jahre dauerte der Kampf, während dessen der ganze Hauptstamm gothischer Völker (mit Ausnahme der skandinavischen Gothen und der Burgunder) nach Südosten zog und den linken Flügel der großen Angriffslinie bildeten, in deren Centrum die Hochdeutschen (Herminonen) an der Oberdonau, und auf dessen rechtem Flügel die Iskävonen, jetzt Franken genannt, am Rhein vordrangen; den Ingävonen fiel die Eroberung Britanniens

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