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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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allmälig der Monogamie sich nähernde Paarungsehe. Strikte Monogamie war es noch nicht, da Vielweiberei der Vornehmen gestattet war. Im Ganzen wurde streng auf Keuschheit der Mädchen gehalten (im Gegensatz zu den Kelten) und ebenso spricht Tacitus mit einer besondern Wärme von der Unverbrüchlichkeit des Ehebandes bei den Deutschen. Nur Ehebruch der Frau gibt er als Scheidungsgrund an. Aber sein Bericht läßt hier Manches lückenhaft und trägt ohnehin den, den liederlichen Römern vorgehaltnen Tugendspiegel gar zu sehr zur Schau. So viel ist sicher: waren die Deutschen in ihren Wäldern diese ausnahmsweisen Tugendritter, so hat es nur geringer Berührung mit der Außenwelt bedurft, um sie auf das Niveau der übrigen europäischen Durchschnittsmenschen herunterzubringen; die letzte Spur der Sittenstrenge verschwand inmitten der Römerwelt noch weit rascher als die deutsche Sprache. Man lese nur Gregor von Tours. Daß in den deutschen Urwäldern nicht die raffinirte Ueppigkeit der Sinnenlust herrschen konnte wie in Rom, versteht sich von selbst, und so bleibt den Deutschen auch in dieser Beziehung noch Vorzug genug vor der Römerwelt, ohne daß wir ihnen eine Enthaltsamkeit in fleischlichen Dingen andichten, die nie und nirgends bei einem ganzen Volk geherrscht hat.
    Der Gentilverfassung entsprungen ist die Verpflichtung, die Feindschaften des Vaters oder der Verwandten ebenso zu erben wie die Freundschaften; ebenso das Wergeld, die Buße, anstatt der Blutrache, für Todtschlag oder Verletzungen. Dies Wergeld, das noch vor einem Menschenalter als eine specifisch deutsche Institution angesehen wurde, ist jetzt bei Hunderten von Völkern als allgemeine Milderungsform der aus der Gentilordnung entspringenden Blutrache nachgewiesen. Wir finden es, ebenso wie die Verpflichtung zur Gastfreundschaft, unter andern bei den amerikanischen Indianern; die Beschreibung, wie die Gastfreundschaft nach Tacitus (Germania c. 21) ausgeübt wurde, ist fast bis in die Einzelnheiten dieselbe, die Morgan von seinen Indianern gibt.
    Der heiße und endlose Streit darüber, ob die Deutschen des Tacitus das Ackerland schon endgültig aufgeteilt oder nicht, und wie die betreffenden Stellen zu deuten, gehört jetzt der Vergangenheit an. Seitdem die gemeinsame Bebauung des Ackerlands durch die Gens und später durch kommunistische Familiengemeinden, die Cäsar noch bei den Sueven bezeugt, und die ihr folgende Landzuweisung an einzelne Familien mit periodischer Neu-Auftheilung fast bei allen Völkern nachgewiesen, seitdem festgestellt ist, daß diese periodische Wiedervertheilung des Ackerlands in Deutschland selbst stellenweise bis auf unsre Tage sich erhalten hat, ist darüber kein Wort weiter zu verlieren. Wenn die Deutschen von dem gemeinsamen Landbau, den Cäsar den Sueven ausdrücklich zuschreibt (getheilten oder Privatacker gibt es bei ihnen durchaus nicht, sagt er) in den 150 Jahren bis zu Tacitus übergegangen waren zur Einzelbebauung mit jährlicher Neuvertheilung des Bodens, so ist das wahrlich Fortschritt genug; der Uebergang von jener Stufe zum vollen Privateigenthum am Boden während jener kurzen Zwischenzeit und ohne jede fremde Einmischung schließt eine einfache Unmöglichkeit ein. Ich lese also im Tacitus nur, was er mit dürren Worten sagt: sie wechseln (oder theilen neu um) das bebaute Land jedes Jahr und es bleibt Gemeinland genug dabei übrig. Es ist die Stufe des Ackerbaus und der Boden-Aneignung, die der damaligen Gentilverfassung der Deutschen genau entspricht.
    Den vorstehenden letzten Absatz lasse ich unverändert, wie er in den früheren Auflagen steht. Inzwischen hat sich die Frage anders gedreht. Seit dem von Kovalevsky (vgl. oben S. 44) nachgewiesenen weitverbreiteten, wo nicht allgemeinen Vorkommen der patriarchalischen Hausgenossenschaft als Zwischenstufe zwischen der mutterrechtlichen kommunistischen, und der modernen isolirten Familie fragt es sich nicht mehr, wie noch zwischen Maurer und Waitz, um Gemeineigenthum oder Privateigenthum am Boden, sondern um die Form des Gemeineigenthums. Daß zur Zeit des Cäsar bei den Sueven nicht nur Gemeineigenthum, sondern auch gemeinsame Bebauung für gemeinsame Rechnung bestand, darüber ist kein Zweifel. Ob die wirthschaftliche Einheit die Gens war, oder die Hausgenossenschaft, oder eine zwischen Beiden liegende kommunistische Verwandtschaftsgruppe; oder ob je nach den Bodenverhältnissen alle drei Gruppen vorkamen, darüber wird sich noch lange streiten lassen. Nun aber

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