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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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und reichte Anaïs ein Fax der obersten Dienstbehörde. Der an alle Dienststellen gerichtete Alarm warnte davor, dass es dem Mordverdächtigen Mathias Freire, der sich bei Bedarf auch Victor Janusz oder Narcisse nannte, gelungen war, gegen 23.00 Uhr trotz polizeilicher Bewachung aus dem Krankenhaus Hôtel-Dieu zu fliehen.
    Anaïs konnte einen Jubelruf gerade noch unterdrücken. Aber schnell kehrte die Angst wieder zurück. Nun waren sie also erneut am Ausgangspunkt angekommen. Wenn die Söldner wirklich noch lebten, würden sie sich wieder an seine Fersen heften. Solinas beugte sich über den Schreibtisch. Seine Stimme senkte sich vertraulich.
    »Wo sollen wir nach ihm suchen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hat er Kontakte hier in Paris? Leute, die ihm bei der Flucht helfen könnten?«
    »Ich glaube nicht, dass er fliehen will. Er versucht, seinen unterschiedlichen Persönlichkeiten auf die Spur zu kommen. Er kennt sie nicht – ebenso wenig wie wir.«
    »Gibt es sonst noch etwas Wissenswertes?«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.«
    Solinas lehnte sich wieder zurück und öffnete einen Schnellhefter.
    »Dann habe ich hier etwas für dich.«
    Er legte ihr ein Blatt vor.
    »Und was ist das?«
    »Ein vom zuständigen Richter unterzeichneter Haftbefehl. Du wirst in Fleury-Mérogis eingesperrt, meine Schöne, und zwar sofort.«
    »Und was ist mit Ihrem Ehrenwort?«
    Statt einer Antwort winkte Solinas zu der Glaswand hin, die das Büro vom Flur trennte. Sekunden später klickten Handschellen um Anaïs’ Handgelenke. Zwei uniformierte Polizisten zwangen sie, sich zu erheben.
    »Niemand hat das Recht, sich über Gesetze hinwegzusetzen. Schon gar nicht eine kleine Maus, die sich den Kopf zudröhnt und sich für Gott weiß wen …«
    Solinas beendete den Satz nicht. Anaïs hatte ihm mitten ins Gesicht gespuckt.

E r erwachte mit einem heftigen Schmerz zwischen den Augen. Vielleicht war es auch der Schmerz gewesen, der ihn geweckt hatte.
    Seine Nase war so dick geschwollen, dass sie sein Gesichtsfeld beeinträchtigte. Unter den gebrochenen Knorpeln brannte es. Am liebsten hätte er aufgeschrien. Seine Nasengänge waren mit geronnenem Blut verstopft. Er bekam kaum Luft.
    Mitten in der Nacht war er wieder zu sich gekommen, doch er hatte nur die Kraft gehabt, das Licht zu löschen und sich völlig bekleidet auf das Bett fallen zu lassen. Danach hatte er geschlafen wie ein Toter.
    Vorsichtig stand er auf, wobei er sich mehrfach abstützen musste, und taumelte ins Bad. Er stellte fest, dass es heller Tag war. Wie viel Uhr mochte es sein? Er besaß keine Uhr mehr. Als er die Neonröhre über dem Waschbecken einschaltete, wurde er eher angenehm überrascht. Sein Gesicht war zwar geschwollen, aber nicht übermäßig. Auf dem Nasenrücken zeigten sich mehrere verkrustete Platzwunden, die wohl vom Waschbeckenrand stammten. Auf der linken Nasenseite befand sich eine etwas längere und tiefere Verletzung; das war wohl die Spalte, durch die das Implantat ausgetreten war.
    Er griff in seine Hosentasche und fand es sofort. Allein bei der Vorstellung, dass er monatelang mit diesem Ding im Kopf gelebt hatte, wurden ihm die Knie wieder weich. Er betrachtete die Hülse ganz genau. Nirgends fand er einen Spalt oder eine Öffnung. Falls es wirklich eine Mikropumpe war, konnte er sich nicht vorstellen, wie sie funktionieren sollte.
    Er verstaute das Beweisstück wieder in seiner Hosentasche, hielt ein Handtuch unter kaltes Wasser, presste es sich auf die Nase und legte sich wieder ins Bett. Sobald er sich bewegte, verstärkte sich der Schmerz. Er schloss die Augen und wartete ab. Nach und nach ebbte der Schmerz ab.
    Trotz seines Zustandes wusste er genau, dass er weiterkämpfen wollte. Er würde der Sache auf den Grund gehen – er hatte keine andere Wahl. Aber wie? Sein Geld war weg, Freunde hatte er keine. Und alle Polizisten von Paris waren ihm auf den Fersen. Fürs Erste jedoch wischte er diese Bedenken beiseite und konzentrierte sich auf die neuen Spuren.
    Zunächst musste er etwas über den Mord mit der Verstümmelung der Sexualorgane herausfinden, der vermutlich irgendwann im Jahr 2009 in Paris am Ufer der Seine geschehen war. Allerdings wurde ihm sehr schnell klar, dass es keine Möglichkeit gab, von seinem Zimmer aus in dieser Richtung zu forschen. Vielleicht sollte er zunächst versuchen, etwas über griechische Sagen herauszufinden, in denen eine Kastration vorkam. Doch auch hier musste er passen, denn dazu hätte er ein Internetcafé,

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