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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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werden.«
    Solinas faltete die Hände hinter seinem Nacken und streckte sich.
    »Ich kann Ihnen höchstens drei Tage zugestehen. Danach muss ich die Akte der Dienstaufsicht und dem Strafrichter weiterleiten. Als Polizistin kann ich Sie im Interesse der Wahrheitsfindung unter meiner Aufsicht vorläufig auf freien Fuß setzen.«
    Er tippte mit dem Zeigefinger auf den Schreibtisch.
    »Aber Vorsicht, meine Schöne. Ihre Informationen müssen hier und jetzt auf den Tisch. Sollte ich feststellen, dass Sie auch nur die geringste Kleinigkeit für sich behalten, reite ich Sie so tief in die Scheiße, dass Ihnen das Zeug aus den Ohren wieder herauskommt.«
    »Sehr elegant ausgedrückt.«
    Er nahm das Spiel mit dem Ehering wieder auf.
    »Du bist hier nicht bei Ladurée.«
    »Woher weiß ich, dass Sie Ihr Versprechen halten, wenn ich alles gesagt habe?«
    »Du hast mein Ehrenwort als Polizist.«
    »Was ist es wert?«
    »Fünfundzwanzig gute und loyale Dienstjahre. Die Möglichkeit, einen ganz dicken Knüller zu landen. Die Aussicht, meinen Kollegen bei der Kripo ordentlich eins auszuwischen. Leg das alles in die Waagschale und sieh zu, wohin die Nadel ausschlägt.«
    Die Argumente klangen hohl, doch Anaïs hatte keine Wahl. Sie war Solinas’ Geisel.
    »Einverstanden«, sagte sie. »Aber Sie schalten sowohl Ihr Handy als auch Ihren Computer aus, ebenso wie die Kamera da oben. Sie notieren sich nichts. Von dem, was ich Ihnen sage, darf es nicht die geringste verfolgbare Spur geben. Bisher ist nichts von alledem offiziell.«
    Solinas erhob sich wie ein müder Jäger, reckte den Arm nach oben und schaltete die Sicherheitskamera aus. Dann nahm er sein Handy aus der Tasche, deaktivierte es und legte es zum Beweis vor sich auf den Tisch. Schließlich setzte er sich wieder, versetzte seinen Computer in den Stromsparmodus und informierte die Zentrale, dass er einige Zeit nicht gestört werden wolle.
    Er machte es sich in seinem Sessel bequem.
    »Kaffee?«
    »Nein danke.«
    »Gut, dann höre ich.«
    Sie erzählte alles. Von den Obdachlosenmorden – dem Minotaurus in Bordeaux und Ikarus in Marseille. Von der Flucht Mathias Freires, alias Victor Janusz, alias Narcisse. Vom pathologischen Profil des Verdächtigen und seinen wiederholten psychischen Fluchten. Von seiner Entschlossenheit, selbst Nachforschungen zu betreiben, anstatt Frankreich so schnell wie möglich zu verlassen – eine Haltung, die man entweder als Beweis für seine Unschuld oder als Gedächtnisverlust auslegen konnte. Vielleicht als beides.
    Anaïs sprach eine halbe Stunde. Als sie fertig war, hatte sie einen trockenen Mund und bat um Wasser. Solinas öffnete eine Schublade und stellte eine Flasche Evian auf den Tisch.
    »Was hatte es mit der Rue de Montalembert auf sich?«
    Anaïs trank einen Schluck.
    »In einem seiner Leben war Freire Maler«, setzte sie ihren Bericht fort. »Er hieß Narcisse und litt unter psychischen Problemen, die in der Villa Corto im Hinterland von Nizza behandelt wurden.«
    Die Erwähnung der Villa Corto war als Test gedacht. Solinas reagierte nicht, wusste also offenbar nichts von dem Gemetzel. Auch sie selbst hatte nicht darüber gesprochen. Abgesehen von Crosnier hatte niemand eine Ahnung, dass sie dort gewesen war.
    »Narcisse malte ausschließlich Selbstbildnisse. Freire hat irgendwie herausgefunden, dass sich unter seinen Gemälden andere Bilder verbargen. Sie waren von einer Galerie in Paris verkauft worden. Freire kam hierher, verschaffte sich die Namen der Käufer und besorgte sich zwei seiner Bilder, die er röntgen ließ. Nur so konnte er hinter das Geheimnis der Gemälde kommen.«
    »Die Namensliste, die Sie Ribois gegeben haben – sind das die Namen der Kunden?«
    »Wer ist Ribois?«
    »Der Muskelmann.«
    »Richtig. Freire hat ein Selbstporträt von einem Sammler im 16. Arrondissement mitgenommen, ein weiteres aus der Rue de Montalembert. Anschließend suchte er die erstbeste Praxis für Radiologie auf, um herauszufinden, was es mit den Bildern auf sich hatte. Das Ergebnis sind die Röntgenbilder, die Sie mir eben gezeigt haben.«
    Solinas nahm einen der Abzüge und betrachtete ihn.
    »Glauben Sie, dass dieser Mord auch zu der mythologischen Serie gehört?«
    »Zweifellos.«
    Anaïs kam ein Gedanke. Das verzerrte Gesicht des Mörders war eine Maske. Eine Anlehnung an eine Sage vielleicht? Oder eine ethnische Besonderheit? Die Kennzeichnung eines primitiven Stammes? Sie erinnerte sich an die Aussage des Obdachlosen Raoul in

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