Der Utofant
gravitidischen Leben in Verbindung. Ich wollte ruckartig, wie es meiner Reaktionsweise gemäß war, aufspringen und gleichfalls zum Brunnen gehen, da spürte ich wieder den Schmerz in der Herzgegend. Ich fiel zurück, gab aber meinen Plan nicht auf. Leichter gelang es mir, als ich mich ganz allmählich auszog, mich vorsichtig vom Bettgestell wälzte und Schritt für Schritt in den eiskalten Morgen hinaustrat. Ich dachte, du mußt dich endlich an die hiesige Gangart gewöhnen, linken Fuß aufdrücken, kleben lassen, abziehen, rechten Fuß aufdrücken, kleben lassen, abziehen, linken Fuß aufdrücken… und natürlich den Körper mitnehmen.
Als mich die Frau erblickte, öffnete sie langsam den Mund, um zu staunen, dann wiegte sie bedächtig, aber besorgt den Kopf. Ich griff schon zur Stange und versuchte, sie hinunterzudrücken, das ging ziemlich leicht, ich hörte, wie der Eimer aufs Wasser schlug, sich füllte, und ich versuchte, es war eben meine Mentalität, ihn mit einem Ruck herauszuziehen. Da fühlte ich wieder einen Stich in der Herzgegend, aber die Frau griff zu und nahm mir den Eimer ab. Schlammbrocken fielen dabei von ihren Armen, aus der schwarzen Kruste brachen die Brustspitzen. Mit Anstrengung wuchteten wir beide den Eimer bis in die Höhe meines Kopfes, dann kippte sie ihn über mich. Das eisige Wasser kam mir wie eine Ölmasse vor, in meinen Körper hatte jetzt einer mit einem Messer hineinstechen können, ich hätte es nicht gemerkt, ich war erstarrt wie ein Eiszapfen, und ich ließ es zu, daß sie den Eimer, diesmal mit Schlamm gefüllt, über meinen Unterleib kippte, wo die Feuchtigkeit allmählich verdampfte und sich eine Kruste zu bilden begann. Sie selbst bekippte sich erneut den vorderen Körper, und wir blieben so lange im Freien stehen, bis der Schlamm in trockenen Splittern von unseren Körpern sprang. Wir übergössen uns nochmals mit eisigem Wasser und gingen langsam, sie voran, ins Haus zurück. Während ich mich mühsam aufs Bettgestell legte, schob sie die Wand zu. Daß sie sich neben mich bettete, nahm ich nicht wahr, ich schlief bereits wieder.
Plötzlich stand sie in einem langen stumpfgrünen Hemd neben mir. Ein älterer Gravitide war ins Zimmer gekommen. Sie nickte ihm zu und zog mir feierlich die Bettdecke ab. Der Gravitide legte sein Ohr auf mein Herz, die Frau kitzelte mich an den Fußsohlen. Ich mußte lachen, während der Gravitide lauschte. Er richtete sich auf, eine Weile schien er nachzudenken, dann sagte er und schob zwischen jede Silbe eine Pause, der – wird – wieder. Während die Frau ihm besorgt nachsah und wie angeschweißt stehen blieb, verließ er langsam den Raum. Bald kam er mit einem vierrädrigen Gestell zurück, das über den Fußboden donnerte. Bloß keine Operation, dachte ich. Der Gravitide zog aus dem Gestell eine meterlange Papierrolle, umfaßte mit der Faust einen klobigen Griffel und begann Aufzeichnungen auf das Papier zu setzen. Zuerst den Namen. Stefan Sanguit. Der Mann hatte die Ruhe weg. Ich schätzte, er brauchte, um meinen einfachen Namen zu schreiben, nach Erdzeit eine Viertelstunde, er ließ sich von der Frau jeden Buchstaben sagen, dann malte er ihn sorgfältig hin. Welche Sternzugehörigkeit? Planet E-r-de, auch T-e-l-l-u-s genannt.
Nach meinem Gefühl dauerte die Datenaufnahme mehrere Stunden. Ich hörte dabei einige Vokabeln, die mir zu denken gaben. Herz leicht flattrig. Lunge dünnhäutig schwach. Muskulatur dünnsträngig. War ich zu Hause nicht ein erfolgreicher Amateur-Geräteturner gewesen? Puls aufgeregt hüpfend. Und meine Krankheit: Ich wurde als luftspringig bezeichnet.
Wie auf der Erde wurden auch hier Heilmittel empfohlen, deren Namen ich nicht verstand. Ich bekam aber mit, daß ich einen Paulana-Exona-Brei reingelöffelt bekommen sollte.
Nachdem der Arzt seine meterlange Papierrolle mit gewaltigen Schlagzeilenzeichen gemalt hatte, heftete er sie an die Wand und fuhr mit seinem Schreibtisch donnernd davon. Die Frau ging hinaus, um mir den Brei zu bereiten. Das muß ziemlich lange gedauert haben. Als ich wieder einmal aus tiefem Schlaf erwachte, stand sie mit einer Waschschüssel voll Paulana-Exona-Masse vor mir. Von Haus aus an winzige Häppchen gewöhnt und an besonders winzige während der Fahrt durch den Raum, starrte ich verstört auf die Schüssel, aus der ein Gemisch von stumpfgrünem Fruchtfleisch und schwarzen, weinbergschneckenartigen Klumpen quoll. Die Frau setzte sich zu mir, stellte die Schüssel auf den
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