Der Utofant
zufriedener. Die Breie, die ich zu mir nehmen mußte, wechselten, mitunter war die fleischige Blättergrundlage rot, mitunter violett, sie schmeckten unterschiedlich, gleich ungeheuer blieb aber die Menge. Mein Magen schien sich daran zu gewöhnen. Zusehends fühlte ich mich kräftiger, aber schwer fiel es mir, schnelle, ruckartige Bewegungen zu vermeiden. Jedesmal, wenn ich mich blitzschnell zu bewegen versuchte, spürte ich mein Herz. Die Frau wiegte dann besorgt den Kopf, legte langsam ihre schwere, warme Hand auf meine Herzgegend, und ich beruhigte mich wieder. Ich empfand ihre Gegenwart als Wohltat.
Sobald ich mich kräftiger fühlte, ging ich morgens mit ihr gemeinsam an den Brunnen, um meinen Körper dem schwerfließenden eisigen Wasser und dem schwarzen Schlamm auszusetzen. Hielt ich den Rhythmus ein und schlief noch einmal tief, wie es die Frau auch tat, fühlte ich mich nach dieser Prozedur gestärkt.
So, selbstverständlich gemessen, ganz natürlich, begann ich mit ihr zu schlafen. Hätte man mich gefragt, wie es dazu gekommen sei, hätte ich keine erklärenden Worte, geschweige denn solche wie »in Liebe entbrannt« gefunden. Wenn wir nach dem kräftigenden Morgenbad erwachten, zogen wir gemächlich die Decke herunter, unter der wir nackt lagen. Die Frau schob die Hand auf mein Herz, ich meine auf ihre Brust. Mit unseren Händen fuhren wir langsam über das Fleisch unserer Körper, kamen dichter heran. Die Bewegungen vollzogen sich zeitlupenhaft. Mir wurde dabei der Gegensatz zur irdischen Liebe bewußt, wo das Programm im Eiltempo heruntergearbeitet wird. Auf Gravitium dauerte es nach irdischen Begriffen stundenlang. Manches, was mir auf der Erde nur leer hingesprochener Begriff gewesen war, die Verbindung, die Verschmelzung der Liebenden, erlebte ich hier greifbar sinnlich. Hier verschmolz ich mit der Frau und sie mit mir. Das war kein Wunschgedanke, kein Phrase für eine schnelle Vereinigung. Auf Gravitium fühlte ich mich verschmolzen, verbunden, vereinigt, und dieser Zustand dauerte.
Als ich das sinnlich erlebt hatte, fühlte ich keine Sehnsucht mehr nach irdischen Frauen. Sie kamen mir vor wie Schmetterlinge, die sich im Vorbeiflattern schnell auf mich setzten und wieder wegflogen. Die irdischen Frauen erschienen mir mehr als die Begriffe von Frauen. Diese Gravitidin empfand ich als körperliches Wesen. Seltsam berührte mich, daß sie fast gar nicht sprach. Anfangs machte ich mir wenig Gedanken darüber. Nun aber fragte ich sie nach ihrem Namen. Tamama. Warum hast du es mir nicht früher gesagt?
Du würdest danach fragen, sagte Tamama bedächtig, nun, und du hast danach gefragt.
4
Der Tag auf Gravitium umfaßte sechsunddreißig Stunden, so hätte viel Zeit sein müssen, auch für die Liebe. Aber die Tätigkeiten, die der Liebe eingeschlossen, zogen sich hin. Der Tag hätte achtundvierzig oder sechzig Stunden haben können, mehr Zeit, so schien es mir, hätte nicht zur Verfügung gestanden. Vielleicht hätten wir länger geschlafen, uns mehr der Liebe gewidmet. Das Wort Liebe empfand ich als fehl am Platz, für die Vereinigung mußte es heißen. Nach und nach erfuhr ich die Umstände, unter denen die Gravitiden ihr äußerlich sehr einfaches Leben führten. Tamama bewohnte das Häuschen allein, sie war eine Frau, die keinen Mann hatte und auf die Vereinigung wartete. Solche Frauen lebten, nachdem sie eine Ausbildung genossen hatten, allein.
Ich kam dahinter, daß es auf Gravitium so etwas wie Schulen gibt und jeder Bürger so ausgebildet wird, daß er sich selbst ernähren kann. Wenn er ins Reifealter eintritt, erhält er eine leerstehende Behausung, die meist aus einem Vorraum, einer Küche und einem Schlafraum, manchmal aber auch nur aus einem großen Einzelraum besteht.
In dem Dorf, in das ich geraten war, arbeiteten die Gravitiden auf den Feldern, die viele Arten fleischblättriger Gewächse trugen, an deren Wurzeln schneckenartiges Getier schmarotzte.
Länger als sechs Stunden dauerte die Arbeit nicht, sie bestand im Hacken der Felder, im Beschneiden der Gewächse, im Einsammeln des schneckenartigen Getiers. Sie vollzog sich in einem bedächtigen, feierlichen Rhythmus.
Sobald ich konnte, begab auch ich mich auf die Felder. Ich erhielt eine vierrädrige Karre mit vier Kästen, verschiedene Scheren und eine Hacke, alles etwas klobig, aber sehr solide. In die Kästen mußte ich gesondert die schneckenartigen Tiere, die fleischigen Blätter, die Sprosse und von manchen Pflanzen auch die
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