Der Utofant
Wurzeln legen. Tamama erklärte mir alles geduldig der Reihe nach und achtete anfangs sorgfältig darauf, daß ich meine Arbeitsbewegungen gemessen ausführte und mich nach einer Viertelstunde von der Schwerkraft erholte, alle viere von mir streckte und, wie sie es nannte, den Boden und den Wind roch.
Nach der Arbeit fuhren wir mit unseren Karren auf den Dorfplatz und stellten sie in einem Kreis auf. Auch mir wurde ein Standplatz angewiesen, den ich für immer beibehalten mußte. Wir reichten mit feierlichen Bewegungen unsere Kästen im Kreis herum und tauschten unsere Ernte aus. Meine Kästen waren meist leer, wenn ich sie zurückerhielt, dafür füllte ich sie mit anderen Pflanzen.
Den Rest, den keiner wollte, schütteten wir auf einen großen Karren, der, wenn er voll war, abgefahren wurde. Tamama sagte, daraus soll neuer Boden werden, der auf die Felder gelegt wird. Danach fuhren wir mit unseren Wagen nach Hause, und Tamama mischte aus vielerlei Kräutern das Mittagessen und ließ es kochen. Anfangs erschien mir dieser Vorgang rätselhaft, sie warf alles nach einer bestimmten Reihenfolge in einen Topf, drehte einen Hahn auf, und plötzlich brodelte kochendes Wasser unter dem Topf. Etwas davon goß sie auch an den Brei, der jedesmal anders und jedesmal phantastisch schmeckte. Nie wiederholte sich einer. Meine Frage nach dem Ursprung des Brodelwassers beantwortete Tamama: Nun, es kommt aus dem Boden. Ich fragte, ob es vulkanischen Ursprungs sein könnte. Es kommt aus dem Boden, sagte sie.
5
Das Leben auf Gravitium wirkte sehr beruhigend auf mich. Das Neue, das ich dort erlebte, nahm mich so in Anspruch, daß ich mich nicht langweilte.
Zu früh, wie es für Erdenleute typisch ist, erschienen eines Tages die Abgesandten meines Raumschiffs.
Hallo, wie geht es dir? Kommst du bald wieder? Rainer hat deine Arbeit mitgemacht, wir haben unsere Messungen bald abgeschlossen. Alles durchforstet, sozusagen. Totalerforschung.
Mir lag auf der Zunge, nichts habt ihr erforscht, der einzige, der etwas von dem
Leben hier berichten könnte, wäre ich. Aber im Augenblick zieht es mich nicht zur
Erde mit ihrem luftspringigen Lebensstil.
Wie ist es dir ergangen?
Ich begann langsam zu erzählen, einen Satz bedächtig hinter den anderen setzend, was ich bisher alles erlebt hatte, aber meine Kollegen hörten nicht hin. Fein, ausgezeichnet, Klasse, unterbrachen sie mich, bist also doch nicht ausgefallen, können wir deins also ins Programm einbauen, gibt ein Sonderlob vom Chef, macht sich telegen, fotogen, mediogen.
Ich wollte ihnen, denn ich war einmal in Fluß gekommen, eingehend weiterschildern, wie ich hier existierte.
Sie sagten, toll, das schreibst du auf dem Rückflug auf, mach dir jetzt schon Notizen. Wenn’s losgeht, holen wir dich ab, in vier Gravitiumwochen also.
Ich merkte, daß ich eine andere Ausdrucksweise angenommen hatte, seitdem ich als Gravitide lebte.
Sie wurden ungeduldig, wenn sie mich langsam und betulich reden hörten. Ja, ja, freut uns, mach’s gut, bis dann, und grinsend schüttelten sie mir die Hand. Sie redeten in dieser schweren Atmosphäre wie aufgezogen und auf schnell gedreht, sie litten, wie es schien, nicht unter Zungenschwere oder Leimzunge. Sie kamen mir auffallend dicker vor als zu Beginn des Forschungsausflugs. Aber leichtfüßig hopsten sie davon, sie winkten sogar noch. Sollte nur ich so veranlagt sein, daß mir die gravitidische Schwerkraft zu schaffen machte?
Tamama hatte bewegungslos ausgeharrt; als sie längst fortgehüpft waren, hielt das Erstaunen auf ihrem Gesicht noch an. Ich wartete, ob sie nicht etwas über diese munteren Gesellen sagen würde.
Luftspringige, sagte sie nach einer Weile nur. Sie trat zu mir, streifte ihr Hemd nicht ab, schob es nur hoch und umarmte mich. Mir war klar, sie hatte Angst vor dem Abschied. Ich wollte nicht zur Erde zurück. Bei Tamama hatte ich die Ruhe gefunden, die ich immer gesucht hatte. Ich bleibe bei dir, sagte ich. Nein, sagte sie.
Mitnehmen konnte ich sie nicht, sie wäre auf der Erde umgekommen. Bevor sie sich einmal gedreht hätte, wäre sie von einem Auto überfahren worden. Ich wiederholte, ich bleibe hier, bei dir, wir heiraten.
Ich traf zunächst das richtige Wort nicht, das auf Gravitium heiraten bedeutet. Als ich ihr endlich meine Absicht begreiflich machen konnte, war sie darüber so gerührt, daß sie vor Freude weinte.
Auch Tränen waren auf Gravitium schwerer als bei uns, sie quollen langsam aus den Augen und rollten im
Weitere Kostenlose Bücher