Der Utofant
Bettrand, zog einen gewaltigen Holzlöffel aus der Tasche ihres Hemdes und fing an, mir den Brei einzutrichtern. Er schmeckte nach halbrohen Innereien, die schwarzen Bestandteile erinnerten an Krebsfleisch. Ich glaubte nicht, daß ich die riesige Schüssel jemals leer essen würde. Ich hielt das Fassungsvermögen meines Magens für eine solche Breimenge nicht für ausreichend, ich hatte aber nicht daran gedacht, daß auf Gravitium ein Essen mehrere Stunden dauern konnte, die langen Pausen mitgerechnet.
Wieder sagte ich mir, wir forschen hier nach allem möglichen, aber wie Gravitiden eigentlich essen, davon wissen wir nichts. Konnte ich mich entsinnen, je einen Gravitiden essen gesehen zu haben? Allerdings befanden wir uns erst seit einer Woche auf dieser Welt, die, wie uns zu Hause versichert worden war, der Erde sehr ähnlich sei und etwa die gleichen Schwerkraftverhältnisse hätte.
Das war eine schöne Fehlinformation. Wir merkten ja sofort, daß man nach einer halben Seite Forschungsprotokolle die Arme spürte, als hätte man mit zentnerschweren Felsbrocken jongliert. Ich war das erste Opfer derjenigen, die alles genau wissen, ohne je auf der Welt Gravitium gelebt zu haben, das erste, aber nicht das letzte Opfer sicherlich.
Ich brach nur eher zusammen, weil ich als ein nervöser, leichtblütiger, rasch reagierender Typ bezeichnet werden muß. Ich merke bereits Tage vorher, daß eine Leitung ausfallen oder ein Draht durchschmoren wird. Ich bin sensibel.
Trotzdem mußte ich lachen. Die Frau sah mich erstaunt an, schien sich dann zu besinnen und lachte schließlich auch; erst zuckte ihre Oberlippe, dann bildeten sich auf den Wangen kleine Höhlen, die großen dunkelbraunen Augen verengten sich, dann lachte sie vollständig. Sie lachte noch, als ich schon wieder anfing aufzuhören. Sie steckte mich mit ihrem Lachen an; obwohl wir sicher nicht aus dem gleichen Grunde lachten, lachten wir doch aus vollem Herzen. Sie vielleicht darüber, daß ich so komisch war, ich über diesen Unsinn, den man uns von der Welt Gravitium erzählt hatte. Ich fand es schön, wie wir so beide lachten, wir steckten uns immer wieder an, und unser Lachen hätte wahrscheinlich nicht geendet, wenn ich seltsamerweise nicht wieder hungrig geworden wäre. Der Sonnenuntergang bereitete sich vor, als ich die große Schüssel leer gegessen hatte, der Brei stand mir bis an die Lippen. Ich merkte, wie die Frau mich sorgenvoll ansah. Auf ihrer Welt gelang es mir, das Mienenspiel der anderen genauer wahrzunehmen als auf meiner, sei es, weil es langsamer und daher deutlicher vor sich ging oder weil ich mehr Zeit hatte, es zu beobachten.
Mir wurde plötzlich klar, warum sie so besorgt aussah. Ich fühlte in meinem Unterleib ein ungeheuerliches Drängen. Sie rollte die Wand auf und fuhr mich mit dem Bettgestellt hinaus, während mein Drängen immer heftiger wurde. Bei der Gemächlichkeit, mit der hier alles vor sich ging, befürchtete ich schon, daß ich das Bettgestell beschmutzen würde. Sie hob mich auf und schleppte mich ins Häuschen, hievte mich dort auf eine Schaukel, die ein Loch aufwies, und wieder spürte ich mein leichtflattriges Herz. Schweiß schoß mir ins Gesicht, ich dachte, das überlebst du nicht, dabei gehst du hinüber, und dann entleerte ich mich explosiv. Ich sank aufs Bettgestell, und während mich die Frau hineinfuhr, fiel ich in einen ohnmächtigen Schlaf. Am Morgen kam der Arzt. Ich fühlte mich sehr kläglich, und auch der Arzt, der wieder eine Rolle beschriftete, mit haargenau den Angaben des Vortages, fügte hinzu, mein Zustand habe sich verschlechtert. Das darf nicht noch einmal vorkommen, dachte ich, du mußt vorausberechnen, daß es hier länger dauert, du mußt, schon lange bevor es anfängt, dich zu dem Ort begeben, dort ruhen und Kräfte sammeln, sonst gehst du hops.
Diesmal erhielt ich eine Flüssigkeit verordnet, die ich literweise zu mir nehmen sollte; der Wirkung nach zu urteilen war es ein Mittel für mein leichtflattriges Herz. Die Frau hatte auch gelernt: Als ich noch nicht dran dachte, die Flüssigkeit von mir zu lassen, fuhr sie mich bereits zu dem Ort, hängte mich in die Matte. In aller Ruhe konnte ich Liter um Liter nach und nach zum Abfluß bringen. Das Leben auf Gravitium ist hart, dachte ich, während ich nach der Anstrengung einschlief, wer weiß, ob mich die Erde je wiedersieht, bei meinem leichtflattrigen Herzen und der luftspringigen Krankheit.
3
Der Arzt kam täglich, seine Miene wurde immer
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