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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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gelaufen ist.
    Er leide übrigens auch an Televisionsphobie, er konnte, wie er sagte, die fremden Leute in seinem Zimmer nicht ertragen, die da spektakelten, ohne zu fragen, ob ihn die Sachen interessierten, die sie behakelten. So lebte er atelevisionär, was ihm das Image eines Menschenfeindes eintrug; von da war es nun nicht mehr weit zur Tele- und Videophonophobie. Ohren und Augen versagten ihm, sobald man ihn mit diesen Kommunikationsgeräten konfrontierte. Ich kann nicht telefonieren und auch nicht videophonieren, sagte er, beim ersten werde ich die Furcht nicht los, ich würde entweder in einen leeren Raum sprechen, wo keine Menschenseele meine Worte hört, oder es würden mich zu viele hören, oder es würde mich nur einer hören, und gerade der wäre nicht der Richtige. Ich gebe was in einen Apparat, wer fängt es auf, wer sitzt dort auf der anderen Seite? Bei diesen Fraglichkeiten packt mich kaltes Grauen. Genauso unerträglich ist es mir, zu sehen, wer auf der anderen Seite sitzt, ich fürchte immer, es sei in Wirklichkeit nicht der, den ich da sehe.
    K. ging stets selbst hin, wenn er mit jemand sprechen wollte. Auf diese Weise glaubte er souverän zu sein, tatsächlich, er begab sich auf seinen beiden Füßen gehend, einen Fuß vor den anderen setzend, manchmal auf Rollschuhen, doch nie in einem Auto oder im Elektronikflitzer zu ihm, er besaß solche Fortbewegungsutensilien ebensowenig wie eine Flugbrumme, harte sich nie bemüht, auch nur die billigste Ausführung dieser Dinge zu erwerben, eine schwere Versagensform, ein Stumpfsinn, der ihm bei seinen Mitmenschen Mißtrauen, Abneigung, ja, Ekel eintrug, so daß sie ihm nicht öffneten, wenn er sie, auf zwei Füßen kommend, sprechen wollte.
    Sein liebloses Verhältnis zu solchen hohen gesellschaftlichen Werten wie Geld war derart krankhaft, daß er beim Anblick von Geldhaufen, Geldscheinbündeln, Schecks und von Wertgegenständen in Form von Luxuswohnturmsiedlungen, goldenen Schmuckpanzern, jenen juwelenübersäten Chemisetts und Leibchen, Salon-Raketen für Weltraumwochenendausflüge, worin gesunde Menschen den wahren Sinn des Lebens finden und deshalb auch ihr ganzes Leben dafür arbeiten, in schrille Schreie ausbrach. Ich möchte leben, schrie er, ich möchte leben, laßt mich doch leben, ich bitte euch; manchmal schrie er auch, er sei unschuldig, man möge ihm doch bitte nicht das Leben nehmen, er wäre aber fast von selbst gestorben, da er kaum noch zu essen pflegte.
    Als er noch eine Frau hatte, beschuldigte er sie, sie wolle ihn vergiften, sobald sie eine lecker eingepackte Mahlzeit vor ihm aufriß; nichts war ihm recht, obwohl die dreißig Kataloge der Internationalen Mahlzeitenindustrie mit etwa sechzigtausend verschiedenen wissenschaftlich getesteten Frühstücksmenü- und AbendbrotAssietten abonniert hatte, die ständig die Programme wechselten. Er schrie hysterisch, ich möchte leben, und rührte nichts an. Ihm kam der sonderbare Einfall, selbst Nahrung anzubauen und seine Frau zu animieren, die Mahlzeiten selbst herzustellen. Dies führte dann zur Scheidung. Er habe unzumutbare, unanständige, menschenunwürdige Handlungen von seiner Frau verlangt, ein Unhold, zur Ehe untauglich, so stand er vor Gericht, schon äußerst mager.
    Da seine Kau- und Schluckmuskeln bei allen sechzigtausend angebotenen Assietteninhalten versagten, strich er nachts durch die Anlagen und fraß Laub von den Büschen, im Winter schlich er in Gewächshäuser und Blumenläden, doch immer häufiger geschah es im Zuge der Entwicklung, daß er nur Plastblätter vorfand, die ihm nicht gut bekamen.
    Ich will nicht sagen, daß man mich schlecht behandelt hat, ich wurde als geschiedener Unhold zwar die bisherige Wohnung los, doch das Soziale Wohnraumzuteilungswesen stellte mir ein vollelektronisches Appartement in einem neuen Turm bereit, ich konnte aber den Wohnvertrag nicht unterschreiben, ich wurde plötzlich von einer Schreibhemmung befallen, ich konnte zwar den Stift festhalten, die Tintenpaste lief, aber zum Schreibakt kam es nicht.
    Seit langem hatte er schon Fragebögen, Karteikarten, Anträge und andere wertvolle Dokumente nicht mehr ausfüllen können, nun konnte er auch seinen Namen nicht mehr schreiben. Befragt nach seinen Wünschen, schwieg er, und als ihm das Soziale Hilfsmannschaftsbüro anbot, die nötigen Papiere – es laufen jeden Monat für einen Durchschnittsbürger fünfundsiebzig bis hundert Formulare an – für ihn mit Schrift zu füllen, zeigte sich,

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