Der Utofant
Reparaturen außenbords durchzuführen; es wird Meteoritenalarm gegeben; das Schiff fliegt in ein Gebiet ein, wo die physikalischen Gesetze angeblich aufgehoben sind: Es scheint Gefahr zu laufen, sich in ein Perpetuum mobile zu begeben beziehungsweise selbst eins zu werden; plötzlich nähert sich das Schiff einem Schreckensplanetoiden, auf dem außerirdische Existenzen in tierischer Form ihr Unwesen treiben; ein Teil der Reisenden, und zufällig sind immer Patienten dabei, ist gezwungen, auf dem Planetoiden zu landen, um durch Erforschung der Lebensumstände wertvolles Material zum Schutz der Erde zu sammeln. Solche gefährlichen Situationen beinhaltet unser Heilprogramm, sie sind ungefährlich. Auf meine Frage, ob man solche Situationen nicht billiger auf der Erde in einer Art Geisterbahn von ungewöhnlichen Ausmaßen organisieren könnte, durch die man die Versager schleust, antwortete Dr. Freund:
Unsere Versagerpatienten sind heute noch sehr sensibel. Sie werden es merken, sogar, wenn man sie in eine echte Rakete steckt, den Abschuß simuliert, sie einschläfert und erst wieder in jener Geisterbahn aufwachen läßt. Wir sind zwar für das Leben und die Gesundheit unserer Schützlinge verantwortlich, aber ein bißchen Realität muß sein, denn würde nur einer merken, daß alles simuliert ist, könnte diese Erkenntnis schwere Depressionen und die Manifestierung des Versagensgefühls hervorrufen. Ein solcher Kranker wäre unheilbar. Es gibt ja verschiedene Versagensformen, warf ich ein.
Wir wandeln unser Programm, wie ich andeutete, individuell etwas ab. Mit Versagern, deren Krankheit auf dem Sexualsektor besonders kraß hervortritt, werden wir Gruppen- oder Einzelgespräche führen. Solche, die an Hemmungen gegenüber Vorgesetzten leiden, werden wir mit den steuernden Persönlichkeiten des Raumschiffs vorsichtig in Kontakt bringen, etwa durch Einnahme der Mahlzeiten am Tisch des Kapitäns. Eine schreckliche Situation für solche Kranken, die sie bewältigen müssen. Solchen mit Artikulationsschwierigkeiten, die alles zu ausführlich, zu genau, zu klar und zu deutlich darlegen, erteilen wir die Aufgabe, über entsprechende Geräte kurze Informationen in den Raum zu geben, wobei wir ihnen klarmachen, daß von diesen Informationen, oft Abkürzungen wie RIZPAK oder VIOTRANSOST, das Leben der Raumschiffinsassen oder (bei idealistischen Charakteren) die Existenz des Erdballs abhängt, ein Buchstabe zuviel kann den Untergang bedeuten. Wir verfügen aber auch über kleinere Härten, an denen alle teilnehmen dürfen, etwa das Essen, das ausreichend, aber absichtlich unschmackhaft ist, das tägliche Lesen der Leitartikel und Kommentare des televisionär übermittelten Zentralen Weltblattes RENOVIERTER GLOBUS sowie der jeweiligen nationalen Ableger desselben, den Raumschiffappell mit Ansprache des Kapitäns, Gesang der Hymne FÜR DEN KOSMOS STEHEN WIR AUF WACHT, Hissen und Einholen der Schiffsfahne oder das Verlesen von Raumstrafgesetzen, Raumbenutzerordnungen, wozu eigens Versammlungen einberufen werden, in denen die Diskussionsbeiträge darin bestehen, daß man die Strafgesetze und Benutzerordnungen wortgetreu wiedergibt und glaubhaft darlegt, man stimme mit ihnen überein.
Ich bemerkte, dies seien keine speziell kosmischen Bewährungsproben, die könne man auf der Erde auch haben.
Dort entziehen sich ihnen aber viele Versager, sie verstehen das oft sehr raffiniert. Im Raumschiff haben wir die ideale Situation der hermetischen Abgeschlossenheit. Wohin sollte sich hier ein Kranker entziehen?
Von mir über die einzelnen an Bord befindlichen Versager und deren Krankengeschichte befragt, verwies mich Dr. Freund auf das Arztgeheimnis. Es sei unzulässig, die vollen Namen der Versager, ihre Fotos oder Einzelheiten ihres Verhaltens während der Heilreise in meinem geplanten Buch zu veröffentlichen, wenn die Versager selbst es mir nicht erlaubten.
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Ich sprach Emil Erasmus K. vorsichtig an, wie er sich denn fühle, und er begann zu weinen. Die Anzugjacke mit dem auf die linke Brustseite genähten schwarzen V (Versager) war schnell von Tränen naß. Ich reichte ihm mein Taschentuch. Er schniefte unästhetisch. Sie können es behalten, sagte ich. Er sah mich traurig an. Der reinste Jämmerling. So einen hatten wir in unserer Schule, den prügelten wir Mädchen immer durch, danach tat er uns leid, wir gaben ihm Beruhigungsbonbons und streichelten ihm die sensiblen Stellen.
Es ist abscheulich, daß wir hier eingeschlossen
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