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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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eine, wie ich bald feststellen mußte, eiskalte Nase. Langsam erwärmte ich mich wieder, spürte an meinen Füßen etwas Knisterndes, wahrscheinlich war es der Verpflegungsbeutel, und da ich diese Lautlosigkeit nicht gewohnt war, schlief ich sofort ein. Ich schlief traumlos.
    Als ich tief ausgeschlafen aufwachte, befand ich mich im Dunkeln. Ich wühlte mich aus dem Federnberg und fror im kalten Raum. Ich schaute auf den Korridor, sah durch vereiste Scheiben am Ende des Ganges nichts, hörte wie bei der Ankunft keinen Laut. Da ich sehr schnell zu frieren anfing, zumal ich mich in meinem Nachtzeug befand, ging ich ins Zimmer zurück, zündete ein Streichholz an und entdeckte ein Schild: Bei Frieren in den Schlafsack kriechen. Der Schlafsack lag vorm Bett. Ich wurde aufgefordert, dort einen Batteriehebel zu drücken, und eine leichte Wärme begann den Sack zu füllen. Dann angelte ich den Verpflegungsbeutel herauf, der eine Flasche Innerlichwärmer enthielt, ein säuerlich schmeckendes alkoholhaltiges Getränk, das meinem Magen ein Gefühl von Wärme gab. Ich riß einen Beutel mit der Aufschrift Notnahrung auf und kaute gefüllte Zwiebäcke. Da ich ein starkes Bedürfnis nach Wärme hatte, verkroch ich mich wieder in den Federn; mir war dabei, als ob ich mich in etwas Bodenloses verkröche. Ich sackte einfach unter und hatte Mühe, meine Nasenspitze herausragen zu lassen. Obwohl ich ausgeschlafen war, überfiel mich von neuem Müdigkeit. Ich dämmerte im Halbschlaf dahin.

    Nur kurzer Wind

    Und schreckte empor, als mit einemmal Lärm anhub. Die Beleuchtung des Zimmers flammte grell auf. Menschen eilten plötzlich über die Korridore, in den Straßen hörte ich immer lauter werdende Geräusche von Fahrzeugen, von Leuten, die redend hasteten. Die Festerläden klappten auf, es war, als ob an den Fenstern immer wieder Schatten vorbeifegten. Ich vernahm mahlende, klappernde, rasselnde Geräusche, überall war Aufregung, und vor allen Dingen, es wurde unerträglich warm im Zimmer. Ich mußte mich aus den Federn herauswühlen und wurde von Infrarotlampen angestrahlt.
    Ich ging ins Bad, dort leuchtete eine Schrift: Jetzt heißes Wasser, sofort baden. Das kochendheiße Wasser stürzte aus den Hähnen, sobald ich sie angestellt hatte, mit einemmal herrschte eine Hitze im Raum, daß ich es nicht wagte, mich anzukleiden. Schon wenn ich ein Unterhemd trug, rann mir Schweiß von der Haut. Ich zog nur Hemd und Hose an, ließ das Hemd ganz offen.
    An meine Tür wurde geklopft. Ein nur mit Turnhemd und kurzer Hose bekleideter Kellner bat mich nach unten zu kommen, um zu soupieren.
    Im Speisesaal brütete die gleiche Hitze, die zudem von den dampfenden Tellern und Suppenschüsseln aufstieg. Der Lärm war so groß, daß ich Verständigungsschwierigkeiten mit dem Kellner hatte. Ich konnte mich nur deutlich machen, indem ich mit dem Finger auf die gewünschten Speisen wies. Die Kellner rannten schwitzend davon. Ich hatte Muße, die Speisenden zu betrachten. Die Frauen trugen nur kurze Röcke, mehr Lendenschürze aus glitzernden Kühlstoffen, glitzernde hauchdünne Büstenhalter, die sie der Form halber umgebunden hatten. Sie unterhielten sich schreiend, weil der Lärm angeschwollen war, und ehe ich, der ich benommen war, einigermaßen begreifen konnte, was vor sich ging, warum diese Hitze, der Lärm, die laute Geschäftigkeit so plötzlich ausgebrochen war, servierten mir auch schon die Kellner eine heiße Terrine, schöpften mir Suppe ein. Unbewußt paßte ich mich den übrigen an, indem ich hastig die Suppe löffelte, wobei ich mir die Zunge verbrannte, als gelte es, die letzte Mahlzeit meines Lebens zu verschlingen. Ich vernahm die Sätze: Es wird schnell vorübergehen! – Nur kurzer Wind!
    Da kamen auch schon die Schnitzel, die ich bestellt hatte, dampfend inmitten von Bergen dampfender Kartoffeln, dampfenden Blumenkohls. Die Schnitzel tellergroß, ich konnte sie nur mit Mühe hinunterwürgen, dann eine Portion Eis mit Früchten, mit der man eine ganze Familie hätte speisen können, und heiße Vanillesoße darüber. Während ich das Eis löffelte, bemerkte ich ein Abflauen des Lärms, dieses Geklappers und Gerassels.
    Die Kellner stürzten an die Tische, um abzuräumen, fuhren in Wagen schnell das schmutzige Geschirr weg, die Gespräche hörten gänzlich auf, ich bemerkte nur essende Münder und fast angstverzerrte Augen, als gelte es, mit dieser Mahlzeit zum letzten, unwiederbringlichen Mal etwas einzunehmen. Kaum hatten sie

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