Der Utofant
rufe unversehens auch ich. Und die Minister sollen nicht zu lange ihr Amt bekleiden, wir wählen sie so oft wie möglich ab. Wenn wer nicht mehr Minister sein will, soll er sich nicht genieren, soll er sein Amt hinschmeißen. Den pflichtbewußten Kampf, den dulden wir hier nicht. Ich frage, wer ist wir ? Das sind wir alle. Aber du fragst niemand, bestimmst einfach!
Ob auch K. abzuwählen sei und ob er, wenn es ihm einfiele, sein Amt hinschmeißen würde, erkundige ich mich.
Bei mir ist es was anderes, sagt er, ich bin ja der natürliche Stammvater dieser neuen Republik.
Es läßt sich nicht verheimlichen: die Elektronic-Miezen, die Versorgungskräfte, Bewährungstechniker, die Psychoschwestern, die Info-Koordinatorin, die Kopilotin, die Raumschiffkommandantin, die Psychologin und Versagensforscherin Dr. Friedlinde Freund – alle sind guter Hoffnung durch meinen tüchtigen Versager Emil Erasmus K. und mir geht es nicht anders. Warum hat niemand von uns auf dieser langen Reise Verhütungspralines gegessen? Im Arzneicontainer waren keine. Ein menschliches Versagen? Man könnte die Entschuldigung vorbringen, im Heilplan seien für unsere amtlich anerkannten Versagertypen sexartige und fortpflanzerische Bewährungsproben nicht enthalten. Wir hätten in den fünf Patienten nur die spezielle Versagerpersönlichkeit gesehen.
Die vier, die ihre Freizeit mit Krieg-der-Welten-Spiel totschlugen, rechtfertigten das auch. Wer hätte sich auf einen Emil Erasmus K. einrichten können? Ein KVerhalten war nicht vorgesehen. Haben wir versagt?
Wohl oder übel müssen wir uns bewähren und, wie Emil Erasmus K. sich ausdrückt, die ersten Kinder der l. Kosmischen Versagerrepublik das grüne Licht des Schreckenssterns erblicken lassen. Doch vorerst mußich schreiben, was mir der Stammvater diktiert:
AUFRUF
AN ALLE VERSAGER HIMMELS UND DER ERDEN! WIR HABEN DIE VERSAGERKRANKHEIT, GEISSEL DER MENSCHHEIT, ÜBERWUNDEN! IN UNSERER REPUBLIK WIRD ES SIE NICHT MEHR GEBEN, WEIL ES HIER KEINERLEI MOTIV FÜR EIN VERSAGEN GIBT UND AUCH NIE GEBEN WIRD!
Ich würde das so kategorisch nicht behaupten, wage ich einzuwenden. Schreib, was ich dir diktiere, sagt er, und halt den Mund!
Expeditionsbericht
unseres Ventanien-Korrespondenten B. G.
Mit letzter Energie
1 Tote, wie zufällig aufgebaute Welt
Beim Überschreiten der Grenze Ventaniens begegnete ich keinem Menschen, sondern nur einem Hinweisschild: Schienenfahrrad benutzen. Die Schienenfahrräder, die unbenutzt herumstanden, waren nicht zu übersehen.
Ich verstaute meinen Koffer auf dem dünnen, zerbrechlich wirkenden Fahrzeug, setzte mich auf den Sattel und begann die Pedale zu treten. Lautlos glitt ich dahin. Die absolute Lautlosigkeit war der einzige Eindruck, den ich zunächst von Ventanien empfing. Ich bewegte mich traumhaft durch eine Kulisse. Die Häuser, an denen ich vorbeifuhr, waren verschlossen, kein Rauch stieg aus den Schornsteinen, die entblätterten Baumgerippe standen unbeweglich. Es war ein kalter Januartag, der Himmel verhangen, es wehte kein Wind. So glitt ich durch eine tote, wie zufällig aufgebaute Welt. (Wenn nicht die Krähen gewesen wären, die auf den Ästen hockten, von Zeit zu Zeit aufflatterten, sich dann jedoch bald wieder auf die Äste setzten und in die stille, lautlose Landschaft schauten.)
Verpflegungsbeutel am Fußende
Der Hauptbahnhof von Ventus, der Hauptstadt Ventaniens, lag genauso verlassen da. Hinweisschilder belehrten mich, was ich zu tun hätte: Fahrrad herausheben, hier abstellen, in Pfeilrichtung zum Hotel Monopol.
Der Weg zum Hotel war gleichfalls tot, kein Mensch, noch nicht einmal ein Sperling lief über den Weg. Die Fenster der Häuser, an denen ich vorbeiging, waren mit Rollos verschlossen, mein Schritt hallte in der Leere. Ich begann mich bald vor den Geräuschen meines eigenen Schrittes zu fürchten. Auch die Hotelfenster waren geschlossen, doch ließen sich die Türen öffnen. Wieder ein Hinweisschild: Schlüssel abnehmen, in das betreffende Zimmer gehen. Im Zimmer die Aufforderung: sich sofort ins Bett legen. Fenster verschließen. Sich zudecken. Verpflegungsbeutel im Bett. Es brannte kein Licht, und es war eisig kalt, was ich erst jetzt zu spüren begann. Auf dem Tretrad hatte ich mich erwärmt und war sogar ins Schwitzen geraten. Ich entkleidete mich, schloß die Fensterläden und wühlte mich ins Bett ein, dessen Federdecken fast bis zur Zimmerdecke reichten. Ich sank in einen Federnberg. Nur noch die Nase schaute heraus,
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