Der Utofant
stärker werdende Knappheit an Kupfer und Aluminium. Es nützt nur wenig, in den Abfallhalden vergangener Epochen nach Kupferresten weggeworfener elektrischer Geräte zu graben, die Ausbeute wird immer geringer, so daß die Herstellung stromleitender Materialien immer schwieriger wird und natürlich auch kostspieliger.
In vielen Fabriken ist es so weit gekommen, daß aus Mangel an Generatoren kein Strom mehr erzeugt, sondern Windkraft unmittelbar ausgenutzt wird, indem man Windmühlen, die manchmal sogar aus Holz bestehen, direkt an die Maschinen angeschlossen hat. Wie zu Müllers Zeiten.
abstwind – konkwind
Bei solchem Mangel werden auch die kuriosesten Ideen diskutiert. Zum Beispiel die, daß der Wind, den manche Institutionen und auch Menschen um sich verbreiten, für die Energieerzeugung genutzt werden sollte, obwohl es sich da um einen bildlichen, einen abstrakten Wind handelt. Aber man beschäftigte sich ernsthaft mit dem Problem, diesen abstrakten Wind in einen konkreten, produktionsfördernden umzusetzen. Es gibt darüber mehrere Dissertationen, in denen es heißt, daß zwar dieser Wind bildlich, also abstrakt zu verstehen sei, also im eigentlich windlichen Sinne nicht existiere, aber zu seiner Erzeugung Energie benötige, und daß es gelte, diese Energie (Energie sei nach dem Energiegesetz immer noch Energie) in produktionsfördernde Energie umzusetzen. Deshalb wurde vorgeschlagen, die abstrakte Windenergie, Maßeinheit abstwind, in einen Konkretwind oder konkwind, der Geräte in Bewegung zu setzen imstande ist, umzuwandeln. Theoretisch sei das möglich, demzufolge müsse es auch praktisch zu machen sein. Einen kurzen Eindruck von der Phase, in der der Wind wehte: Überall fand ich Windmühlen, die einzeln vielleicht erträglich liefen, insgesamt aber einen ungeheuren Lärm verbreiteten. Jedes Haus hatte mehrere Windmühlen, stromerzeugende und einfach nur sich drehende. Die Schatten vor meinem Hotelfenster erwiesen sich als sich drehende Flügel. Während der Windzeiten waren die Menschen aufgeregt, sie arbeiteten bis zu sechzehn Stunden am Tag, um alles zu schaffen, was an den windfreien Tagen infolge Energiemangel liegengeblieben war.
Die beste Erbschaft – Akkumulator
Noch bin ich dabei, die Gerätschaften zu erkunden, die zur Aufbewahrung von Energie dienen. Geheizte Kachelwände, die noch Tage nach einem Wind Wärme abgeben können, mit dem Nachteil, daß während der Windzeit die Wohnungen unerträglich heiß werden müssen. In den Kellern Heißwasserspeicher, die bei völliger Aufheizung bis zu mehreren Tagen das Haus warm halten. Sehr dicke Mauern, gepolsterte Mauern sozusagen, um die Wärme zu speichern. Glücklich diejenigen, die von ihren Großvätern Akkumulatoren geerbt haben, die wegen des Rohstoffmangels nicht mehr hergestellt werden, und die Strom bis zu einer Woche speichern können. Und eben die übermäßige Pflege des feder- und wollerzeugenden Tiers. Künstliche Thermofasern wärmen zu schwach.
In den Fabriken, in denen zu Windzeiten rund um die Uhr hektisch gearbeitet wird, gibt es Arbeiter, die auf Rollschuhen mehrere Maschinen bedienen. Es gibt welche, die zugleich Fräser, Dreher, Polierer sind und mit Hilfe von sinnreichen, energieausnutzenden Mechanismen die Windenergie verwerten. Und bis zur Erschöpfung arbeiten, um in den windfreien Tagen oder Wochen nichts zu tun als zu lesen, zu diskutieren, um so dicker eingemummelt, je mehr die Energie abnimmt.
Den Mantel nach dem Wind hängen?
Das Problem, so erklärte mir ein Psychologe in Ventus, bestehe darin, daß die
Menschen aus ihrem natürlichen Rhythmus geraten, daß sie in windstillen Zeiten untätig auf ihren Einsatz warten, in windreichen aber ein Höchstmaß an Leistungen bringen müssen. Die Anpassungsfähigkeit des Individuums wird extremen Bedingungen unterworfen. Wir leben in einer Nachholsituation, einem Nachholstreß, in den windreichen Zeiten muß Produktivität nachgeholt werden, in den windstillen Schlaf, Ausruhen, Muße. Und was Sie als Kuriosum interessieren wird: Geschlechtsverkehr. Die Intimität hat einen besonderen abgegrenzten Raum, genau wie die Extensität. Die psychischen Defekte, die wir in unserer Gesellschaft haben, ergeben sich aus diesen Widersprüchen. Die psychisch Kranken haben die Grenze der Anpassungsfähigkeit erreicht, ihr Organismus kann diesen Wechsel nicht ertragen.
Aber es geht nicht nur um diesen Wechsel, es geht auch um die Zeit, in der der Wechsel erfolgen soll. Er muß
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