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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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gegessen, verließen viele sprintartig den Saal, ballten sich vor einem Büfett, und schwer mit Lebensmitteln bepackt, eilten sie auf ihre Zimmer. Mein Kellner wartete ärgerlich, daß ich das Eis verzehrte, er zappelte mit den Beinen, nun mach schon, beeil dich. Ich spürte seine Ungeduld im Nacken, ich konnte die Masse Eis nicht mehr vertilgen, ich ließ sie stehen und kam gerade noch zurecht, als an der Theke die Rollos heruntergelassen wurden. Kein Verkauf mehr.
    Ich fand einen Platz im letzten Fahrstuhl, eingeklemmt zwischen Hotelgästen, die in ihren leichten Kleidern zu frösteln begannen. Es wird kühl. In meinem Zimmer waren die Rollos heruntergelassen, das Licht brannte noch matt, wurde immer matter und erlosch plötzlich.
    Mit einemmal war wieder die Stille da, wie ich sie bei meiner Ankunft gefunden hatte. Ich wühlte mich in die Federbetten und ließ den Kopf draußen, bis ich merkte, daß meine Nase kalt wurde. Ich vergrub mich, und benommen von der reichlichen Mahlzeit, schlief ich ein, jedoch nicht für lange. Das Zimmer war wieder kalt und dunkel, nirgendwo ein Laut, ich hörte und sah nichts und langweilte mich schrecklich, aber ich wagte wegen der Kälte nicht, die Federnhöhle zu verlassen.
    Kann sein, daß ich so tagelang dahindämmerte, bald großen Hunger verspürend, dann in die eiserne Ration beißend, wobei ich jedesmal, wenn ich was zu mir nahm, in einen Halbschlaf fiel, den künstlichen Schlaf, den man hat, wenn man wirklich müde ist. Die Stille war so unerträglich, wie es der Lärm gewesen war. Ging ich ins Bad, meine Bedürfnisse zu befriedigen, kam ich kalt und verfroren wieder, es dauerte lange, bis ich unter den Federn erneut warm geworden war. Wieviel Zeit verging, wußte ich nicht, es mochten Tage gewesen sein. Ich versuchte mich anzukleiden, die Kleidung fühlte sich eisig an, aber es hielt mich nicht ab, das Hotel zu verlassen. Draußen war es kalt, windstill. Ich befand mich als einziger Mensch auf der Straße. Die Leblosigkeit verstärkte das Gefühl der Kälte. Ich gab es auf, weiter durch Ventus zu spazieren, es war dortnichts zu sehen. Heruntergelassene Rollos, kalte Häuserwände, keine Menschen, kein Verkehr, Stille, es gab nichts, was ich mir anschauen konnte, nicht einmal Schaufenster. Die Häuser sahen aus wie planmäßig behauene Felsblöcke, ich war froh, wieder ins Bett kriechen zu können und dahinzudämmern; ich wagte nicht mehr, mich daraus zu erheben, zumal ich das Gefühl hatte, daß es auch im Zimmer immer kälter wurde. Lesen konnte ich nicht, da es kein Licht gab. Ich kam mir vor wie in einer Gruft, auf ewig begraben, der leblosen Eiseskälte ausgesetzt. Und wartete auf Wärme, Leben, auf Lärm, ich wartete auf Menschen, ich wurde zeitweise hektisch ungeduldig, dann ergab ich mich wieder meinem Schicksal. Schließlich dämmerte ich stumpf dahin, knabberte hin und wieder etwas aus meinem Vorratsbeutel, hatte trotz Harndrang absolut keine Lust, zur Toilette zu gehen. Und langweilte mich schrecklich, zumal ich keinen Antrieb verspürte, an etwas zu denken.

    2
Wie zu Müllers Zeiten

    Diese Schilderung habe ich absichtlich unreflektiert gelassen, um einen unmittelbaren Eindruck vom Aufenthalt in Ventanien zu geben. Das Land verfügt über keine andere Energiequelle als den Wind. Eine billige, einfach zu handhabende Energiequelle, die eigentlich das Ideal einer Energiequelle darstellt, wie überall versichert wird, denn sie ist absolut umweltfreundlich. Die Investitionen für Windmühlen sind geringer als die für Wärmekraftwerke. Man bedarf keiner Transportmittel, um Rohstoffe wie Erdöl, Kohle, Plutonium heranzuschaffen. Es gibt keine Abfallbeseitigung. Das Ideal hat nur einen entscheidenden Nachteil, es versagt, wenn kein Wind weht, das heißt, wenn die Windstärken unter 3 oder 4 sinken, und das ist in den kalten Januartagen oft der Fall. Dann bleibt den Leuten nichts anderes übrig, als in ein weiches mehrschichtiges Federbett zu kriechen und auf besseren Wind zu warten.
    Natürlich hat man versucht, die in den windreichen Tagen gesammelte Energie zu speichern, doch das verteuert die ursprünglich so billige Energie maßlos. Man baute einige Pumpspeicherwerke, die in windreichen Tagen das Wasser mittels Windkraft den Berg hinaufpumpen. Aber die dort gespeicherte Energie reicht nur für dringende Fälle. Gerade noch für die Krankenhäuser, aber nicht mehr für die Schulen und eigenartigerweise noch nicht einmal für die Verwaltungen. Hinzu kommt die immer

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