Der Väter Fluch
ihn?«
»Und wo finden wir ihn?«
»Das ist eine gute Frage«, meinte Erin. »Er versteckt sich ziemlich oft.«
»Halt's Maul, Erin!«
»Schrei mich nicht an, Darrell. Schließlich hast du den Cops seinen Nachnamen gegeben.«
»Ist Moke auf der Flucht?«
Erin und Darrell warfen sich einen Blick zu. Dann sagte Holt: »Moke erzählt gern Geschichten - unter anderem das Märchen, er würde von der Polizei gesucht und sei auf der Flucht.«
»Und weswegen wird Moke angeblich gesucht?«
»Bombenattentate.«
Martinez und Webster sahen sich erneut an. »Bombenattentate worauf?«, wollte Webster wissen. »Synagogen?«
Holt schüttelte den Kopf. »Tierlabore. Nicht die eigentlichen Käfige, sondern die Rechenzentren. Der gute Ricky ist, wie er selbst zugibt, ein Tierfreund.«
4
Die Thora-Akademie von West Hills befand sich in den Räumen einer ehemaligen Tierklinik. Es musste sich einst um eine gut gehende Praxis gehandelt haben, denn die Untersuchungsräume waren extrem groß, wenn auch als Klassenzimmer immer noch zu klein. Daher fand der größte Teil des eigentlichen Unterrichts -bis auf einige Kunstkurse, die man in die ehemalige Leichenhalle verlegt hatte - in Wohncontainern statt, die auf dem Parkplatz aufgestellt worden waren. Die anderen Räume der Klinik dienten als Büros für die Schulverwaltung. Wie jeder andere in dieser Gemeinde wusste Decker, dass diese Schule nur dank der Unterstützung von Freiwilligen und gelegentlichen, völlig unerwarteten Spenden existierte.
Rabbi Jeremy Culter war der Verantwortliche für den säkularen Unterricht - ein Mann um die fünfunddreißig, dessen Ansichten für einen orthodoxen Rabbiner als sehr modern galten. Bezeichnend für ihn war auch, dass er einen Doktor in Pädagogik besaß und keinen Bart trug. Culter war hellhäutig und relativ klein, aber kräftig, mit langen, muskulösen Armen. Sein Büro wirkte fast minimalistisch: ein Tisch, ein paar Stühle und ein Bücherregal, gefüllt mit seferim - jüdischen Werken - neben Büchern über Psychologie, Soziologie und Philosophie. Die Wände waren mit Zedernholz vertäfelt, das immer noch einen leicht antiseptischen Geruch verströmte, gelegentlich durchsetzt von einem Hauch Urin.
Wenn Decker die Schule besuchte, trug er gewöhnlich eine Jarmulke, die Kappe der jüdischen Männer. Doch heute war er nicht als Vater hier, sondern in offizieller Funktion. Bei der Arbeit trug er keine Kopfbedeckung, weil er es häufig mit Leuten zu tun hatte, die Cops im Allgemeinen und ihn im Besonderen hassten, und weil er nicht irgendeinem Psychoverbrecher und Antisemiten Material in die Hand geben wollte, das dieser gegen die Juden verwenden konnte. Aber als er vor Culter saß, fühlte er sich ohne seine Jarmulke nackt. Falls Culter es bemerkt haben sollte, zeigte er es nicht.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie tatsächlich annehmen, einer unserer Jungs - ein Klassenkamerad Ihres Sohnes -könnte eine schul entweihen und Konzentrationslagerfotos zurücklassen«, sagte er. »Kinder, deren Großeltern diesen Horror überlebt haben!«
Decker musterte ihn. »Woher haben Sie von den Einzelheiten dieses Verbrechens erfahren?«
»Das ist eine kleine Gemeinde. Muss ich Ihnen das wirklich erklären?«
»Hat meine Frau Sie angerufen?«
Der Rabbi schüttelte den Kopf.
»Dann muss es jemand von der Putzkolonne gewesen sein«, lächelte Decker. »Ich habe Sie soeben zu meinem Beichtvater erkoren und möchte Sie um Verschwiegenheit bitten. Einverstanden?«
»Reden Sie weiter«, forderte der Rabbi ihn auf.
»Die Sache sieht folgendermaßen aus: Wir nennen es einen routinemäßigen Drogentest für Ihre Jungs. Ich werde das Märchen an allen Schulen erzählen, die ich besuche, und mich dann nach möglichen Beweisen umsehen. Wenn Sie und Ihre Schule in dieser Sache mit mir zusammenarbeiten, Rabbi, dürfte ich keine Schwierigkeiten mit den anderen Privatschulen haben.«
Culter nickte. »Das Gesetz ist objektiv, und das gilt auch für die Polizei.«
»Genau«, nickte Decker. »Wenn ich sogar die Schule überprüfe, auf die mein eigener Sohn geht, welche Entschuldigungen können die anderen Schulleiter dann noch vorbringen?«
»Gibt es Widerstand?«
»Ich fange mit Ihrer Schule an; alles Weitere wird sich ergeben. Aber ich kann Ihnen versichern, dass keine piekfeine Privatschule gern zugibt, Vandalen unter ihren Schülern zu haben. So etwas macht sich gar nicht gut bei den Eltern, die enorme Schulgelder auf den Tisch legen müssen.«
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