Der Väter Fluch
Er deutete auf seine Brust. »Ich kann das persönlich bezeugen.«
»Sind Sie sicher, dass Jugendliche hinter der Sache stecken?«
»Nein. Zurzeit geht die Polizei einer Reihe von Hinweisen nach. Ich habe mich selbst als Schulschnüffler eingeteilt. Ein toller Job. Das dürfte mich bei meinem Stiefsohn nicht gerade beliebter machen - in seine Privatsphäre und die seiner Freunde einzudringen. Aber in diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Wenn andere Schulleiter sehen, dass nicht einmal ein Mann der Kirche versucht, seine eigene Schule zu schützen, welche Argumente bleiben ihnen dann noch?«
»Die Eltern werden nicht gerade erfreut sein.«
»Rabbi, ich möchte diese Bastarde unbedingt erwischen. Und Sie möchten es auch - das weiß ich.«
Culter zog eine Augenbraue hoch. »Also soll ich jedem sagen, dass es sich nur um eine routinemäßige Drogenkontrolle handelt.«
»Wenn Sie das tun könnten, würden Sie mir einen großen Gefallen erweisen.«
»Und wenn...«, der Rabbi faltete die Hände und legte sie auf den Tisch, »...wenn Sie etwas finden, das Ihren Sohn belastet?«
»Was meinen Sie?«, fragte Decker mit ausdrucksloser Miene.
»Ich glaube, Sie wissen sehr wohl, was ich meine. Yaakov hat mir den Eindruck vermittelt, dass Sie beide über persönliche Dinge sprechen.« Eine sehr lange Pause. Culter rieb sich mit dem Zeigefinger über die Nase. »Vielleicht hätte ich das nicht sagen sollen.«
»Sie meinen Drogen?«
Culter zuckte die Achseln.
»Jake hat mir davon erzählt, dass er Marihuana geraucht hat. Wenn es noch um etwas anderes geht, weiß ich nichts davon.«
Der Rabbi blieb hartnäckig. »Was werden Sie tun, Lieutenant, wenn Sie etwas in seinem Schrank finden?«
Die Frage war durchaus legitim, aber sie traf Decker wie ein Schlag in den Magen. »Das entscheide ich, wenn sich die Frage stellt. Im Augenblick muss ich es darauf ankommen lassen. Denn vor allem möchte ich diese Typen hinter Gitter bringen. Bitte helfen Sie mir. Helfen Sie Ihrer Gemeinde. Denn es geht ja nicht nur darum, die Täter zu fassen - wir wollen auch verhindern, dass es noch einmal vorkommt.«
»Da stimme ich Ihnen zu.«
»Also, werden Sie mir helfen?«
»Widerstrebend - aber ja, ich werde es tun.«
»Haben Sie vielen Dank«, sagte Decker und erhob sich, »und bringen wir's hinter uns.«
»Wollen Sie die Durchsuchungen persönlich durchführen?«
»Ja. Wenn ich nichts finde, ernte ich die Lorbeeren; andernfalls übernehme ich die Verantwortung. Wo werden Sie sich währenddessen aufhalten?«
»Direkt neben Ihnen«, gab Culter zurück. »Sie sind nicht der Einzige, der an Gerechtigkeit glaubt.«
Die Ausbeute bestand aus ein paar Schmuddelheftchen sowie mehreren Plastikbeuteln voll verdächtig aussehender getrockneter Kräuter - was Decker genügte, den harten Kerl heraushängen zu lassen und einige der Jungs wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen. Dabei arbeitete er eher mit Einschüchterungsmaßnahmen als mit tatsächlichen Strafen, um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen. Yonkies Schrank war in jeder Hinsicht sauber - alles ordentlich aufgeräumt und ohne Müll. Zwar hatte das Verhalten seines heranwachsenden Sohns in letzter Zeit ohnehin eine Wendung zum Besseren genommen, aber Decker war dennoch erleichtert, dass es eine Sache weniger gab, um die er sich Sorgen machen musste. So wie es aussah, würde die ganze Angelegenheit noch ein Nachspiel haben, weil die Schüler nicht verstanden, warum Decker - ein jüdisch-orthodoxer Lieutenant - gerade sie ausgesucht hatte. Den Jungs musste es so vorkommen, als hätte die Gestapo einen jüdischen Kapo geschickt, der sie verfolgen sollte. Yonkie war schlau genug, den Mund zu halten, aber seine Augen funkelten vor Wut.
Zu Hause würde es Ärger geben, aber Decker nahm sich vor, sich nichts anmerken zu lassen. Sein Plan war aufgegangen. Noch bevor er die Jeschiwa verließ, telefonierte er mit Keats Williams, dem Schulleiter von Foreman Prep, einer exklusiven Privatschule für Jungen, und vereinbarte einen Termin mit ihm. Wenn schon der Rabbi einer Überprüfung zugestimmt hatte, welche Entschuldigung blieb dann den anderen Rektoren?
Decker stand bereits an seinem Wagen, als Yonkie ihn einholte. Mit knapp siebzehn Jahren wirkte er mit seinen durchdringenden eisblauen Augen und dem pechschwarzen Haar wie ein Teenie-Star. Sogar in der Schuluniform - weißes Hemd und blaue Hosen - machte er eine gute Figur. Der Junge warf einen schnellen Blick über die Schulter, wobei
Weitere Kostenlose Bücher