Der Väter Fluch
Dann zog er ab, peinlich berührt von seinem plötzlichen Gefühlsausbruch.
Decker biss sich auf die Lippe und sah ihm nach. Einen Augenblick stand er da, dann flüsterte er: »Ich liebe dich auch.«
5
Auf seinem Weg zur Foreman Prep wurde Decker schmerzlich der Unterschied zwischen einer kirchlichen Privatschule und einer privaten Preparatory School vor Augen geführt, die ihre Schüler für die Aufnahme an einer Eliteuniversität vorbereitete. Foreman Prep lag in einer ausgedehnten, grünen Parklandschaft mit prachtvollen Weiden und majestätischen Platanen. Hinter diesem natürlichen Sichtschutz standen verstreut eine Reihe von Ziegelbauten im amerikanischen Kolonialstil. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um Ziegelverkleidungen, weil kein Architekt im von Erdbeben heimgesuchten Los Angeles derart massive Steinbauten errichtet hätte. Ob Verkleidung oder nicht - die Gebäude waren jedenfalls so eindrucksvoll und efeubewachsen, dass sie die Atmosphäre der Universitäten im Osten mühelos heraufbeschworen. Doch Decker interessierte sich nicht für das Äußere, ihm kam es allein auf den Inhalt an. Das Kursangebot von Foreman Prep konnte sich mit dem der meisten anderen Colleges messen. Jeder seiner beiden Stiefsöhne hätte die Schule besuchen können, aber Rina wollte nichts davon wissen. Religiöse Erziehung hatte für sie absoluten Vorrang, selbst wenn die jetzige Jeschiwa kaum über Mittel verfügte und mit wechselnden Lehrern arbeiten musste. Für sie - und für das Andenken ihres verstorbenen Ehemanns -standen manche Dinge außerhalb jeder Diskussion.
Der Leiter der Schule, Keats Williams, hätte als Basil-Rathbone-Double durchgehen können, wenn nicht sein kahler Kopf gewesen wäre - eine topografische Karte aus Venen und Beulen, über die sich eine glänzende Haut spannte. Williams' Augen waren haselnussbraun, und er sprach mit einem leicht britischen Akzent. Affektiert?
Vielleicht. Doch zumindest hörte er sich Deckers Anliegen an, ohne ihn durch eine spöttische Bemerkung zu unterbrechen. Während der Rektor in dozierendem Tonfall seine Antwort vortrug, versuchte Decker beim Anblick von Williams' luxuriösem Büro - einem Raum, in dem sich selbst Churchill wohl gefühlt hätte - nicht zu verwundert zu schauen. Williams war nicht irgendein Schulleiter oder Doktor der Soziologie, wie sein Ivy-League-Diplom verkündete - Williams war mehr. Viel mehr. Williams war ein gottverdammter Generaldirektor.
»Wir haben vor kurzem in der gesamten Schule Drogenkontrollen durchführen lassen«, teilte der Rektor Decker mit. »Drogen werden bei uns unter keinen Umständen geduldet. Drogen, Waffen und jugendgefährdende Schriften. Selbst die Bikini-Ausgabe von Sports Illustrated wird auf dieser Schule nicht geduldet, auch wenn dies kein Grund für eine Suspendierung darstellt -zumindest nicht beim ersten Mal. Es scheint einfach unmöglich, Jungen in diesem Alter vom Gedanken an Sex abzuhalten. Er ist immer gegenwärtig, wie der Pulsschlag. Doch das heißt noch lange nicht, dass man ihn auch noch zusätzlich anregen muss. Wir wollen schließlich versuchen, den Verstand weiterzuentwickeln.«
»Das ist mir bekannt«, erwiderte Decker. »Und ebenso, dass Ihre Schule ein äußerst liberales Prinzip der Redefreiheit vertritt, das auch Diskussionen über Abtreibung, Legalisierung von Drogen sowie Prostitution und Euthanasie eine Plattform bietet.«
»Das kann ich nur bestätigen.«
»Vor kontroversen Themen schrecken Sie nicht zurück.«
»So ist es. Aber ich brauche Sie sicher nicht ernsthaft daran zu erinnern, dass es sich dabei nur um einige Themen handelt, die auch von unserer gesetzgebenden Körperschaft besprochen wurden. Wir sehen es gern, wenn unsere Schüler auf der Höhe der Zeit bleiben... aktuell informiert, wenn Sie so wollen. Wie auch immer - auch kontroverse Diskussionen müssen nicht unbedingt zu Hassdelikten führen, die ich persönlich als widerwärtig und widerrechtlich ansehe. Ich weiß, dass Sie die Drogen vorschieben, um sich damit Zugang zu den Schränken der Schüler zu verschaffen, aber falls Sie irgendeinen... und ich meine damit irgendeinen... Hinweis darauf finden, dass unsere Jungen hinter diesen abscheulichen Vorfällen stecken, möchte ich darüber sofort informiert werden. Dann würden geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass auch dieses Thema erschöpfend diskutiert wird.«
»Doktor, wenn ich Beweise dafür finde, dass einer Ihrer Jungen mit der
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