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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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mir anzulegen.
    Sosehr er sich auch bemühte - Decker konnte absolut nichts erkennen, keine Umrisse, keine Formen, nur ein verschwommenes Grau in Grau. In seiner starren Haltung verkrampften sich die Beinmuskeln, aber er widerstand dem Drang, sich zu bewegen, seinen Körper in eine bequemere Position zu bringen. Fast alle nachtaktiven Tiere verfügten über ausgeprägt gute Sinne. Ausgerechnet jetzt musste ihm so etwas passieren. Aber er befand sich schließlich auf fremdem Territorium. Er erwog die Möglichkeit: Wölfe jagten in Rudeln, aber Großkatzen waren Einzelgänger. Und das Knurren stammte nicht von etwas Hundeähnlichem - also standen seine Chancen jetzt bestenfalls unentschieden.
    Zehn Sekunden... zwanzig... dreißig, vierzig. Eine ganze Minute verstrich, in der alles sehr langsam ablief, sozusagen in Zeitlupe. So lang zogen sich die Minuten sonst nur hin, wenn er auf dieses gottverdammte Laufband musste, wo er ins Schwitzen geriet, ohne auch nur einen Meter vorwärts zu kommen. Das war fast wie im sonstigen Leben, dachte er. Und beim Sex war es genau umgekehrt: Die Zeit verflog in Lichtgeschwindigkeit.
    Warum war das Leben so ungerecht?
    Obwohl wahrscheinlich kaum mehr als eine Minute vergangen war, erschien es ihm, als hätte er eine ganze Stunde regungslos zugebracht. Wildkatzen waren von Natur aus Einzelgänger, und dieser Berglöwe würde keine Ausnahme bilden.
    Zumindest hoffte er, dass es nur ein Berglöwe war.
    Das Knurren ertönte ein drittes Mal. Dann hörte er ein leises Rascheln. Decker versuchte, anhand des Geräusches den Standort des Tiers auszumachen - irgendwo vor ihm, ein wenig links. Mit äußerster Vorsicht ließ er auch das Funkgerät auf den Boden gleiten und zog seine Waffe aus dem Gürtel.
    Als Deckers Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, verlangsamte seine Atmung sich auf ein stoßweises Hecheln. Ganz langsam ließ er auch die Taschenlampe zu Boden sinken, nahm den Revolver in beide Hände und ging in Schießhaltung.
    So blieb er stehen und wartete.
    Weitere Zeit verstrich. Er hörte ein leises Murren... Blätterrascheln. Kaum wahrnehmbar... wie ein gedämpftes Flüstern.
    Dann ein erneutes Knurren, das jetzt eher wie ein Schnurren klang, dem kurz darauf ein Tappen folgte. Irgendetwas lief auf allen vieren.
    Dann nichts mehr.
    Wo zum Teufel steckte das Biest?
    Deckers Lippen waren trocken, sein Hals fühlte sich an wie ein Reibeisen. Ein plötzlicher Hustenreiz stieg in seiner Kehle auf, doch er konnte ihn gerade noch unterdrücken.
    Dann wieder Geräusche. Decker versuchte verzweifelt, sie zu deuten - etwas zwischen Schlecken und Schlürfen. Das Tier trank, obwohl nur Gott allein wusste, wo es hier Wasser gab. Der Boden unter Deckers Füßen war hart und staubig. Trotz der feuchten Luft hatte es hier seit Monaten nicht mehr geregnet.
    Das Schlabbern endete, und danach trat bedrohliche Stille ein. Er hörte nichts außer seinem eigenen Atem.
    Plötzlich ein Knacken, das Decker einen Schauer über den Rücken jagte. Dann ein typisches Knirschen - Kiefer, die etwas Hartes zermalmten.
    Er hatte irgendein Tier beim Fressen gestört.
    Erneutes Nagen... Kauen... Knirschen.
    Wieder ein lautes Knack, das ihn erstarren ließ.
    Ganz ruhig bleiben, Deck.
    Schlapp, schlapp... schlürf, schlürf.
    Es trank Blut...
    Dann wieder Kauen. Es schien gar nicht mehr aufzuhören.
    Vielleicht hatte die Katze eine größere Beute erlegt. In diesem Teil der Berge gab es mehr als genug Wild, dazu streunende Hunde, Wölfe und... Kojoten.
    Die Geräusche brachen abrupt ab. Darauf folgte ein Tapp-Tapp. Zweige knackten unter den Pfoten.
    Zwei glühende Augen spähten prüfend durch das Dickicht. Ein dünner Streifen Mondlicht gewährte Decker einen kurzen Blick auf einen weißen Fangzahn.
    Tu's nicht, Kätzchen. Ich bin ein tödlicher Schütze!
    Er sprach sich Mut zu. Bis auf die Augen konnte er nichts erkennen. Auf die Wildkatze zu schießen, war natürlich nur derletzte Ausweg - er musste versuchen, sie zu verscheuchen. Ohne seine Haltung zu verändern, glitt eine Hand langsam auf den Boden und tastete herum, bis sie die Taschenlampe fand. Seine Finger umklammerten das Metall, langsam brachte er die Lampe auf gleiche Höhe mit den Augen der Wildkatze und ließ den Lichtstrahl aufblitzen. Keine Reaktion.
    Er schwenkte den Strahl ein paar Mal hin und her.
    Nichts geschah. Doch plötzlich entzogen sich die fremdartigen Augen seinen Blicken, und er hörte, wie die Katze ging... sie lief nicht, sie ging.

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