Der Väter Fluch
gefesselt. Ihre Hände schienen unverletzt zu sein, abgesehen von den Fingerspitzen, die unter der mangelnden Durchblutung gelitten hatten - auf dem rosaweißen Fleisch wirkten die Nägel wie glänzend schwarz poliert. Aber mit ein bisschen Glück würden sie sich erholen. Ihre Fußgelenke waren mit einem dickeren Strick ans Bett gefesselt, und als Decker die Knoten löste, schimmerten ihre Füße bläulichgrau. Doch schon als man sie auf die Trage hob, hatten sie wieder etwas Farbe bekommen - ein gutes Zeichen.
Decker wischte sich die Stirn mit dem Handrücken ab. Feiner Sand kratzte über seine Haut.
Samenflüssigkeit und Blut sickerten zwischen ihren Schenkeln hervor, was darauf schließen ließ, dass nicht nur ein Penis gewaltsam in sie eingedrungen war. Sobald sich der Rauch gelegt hatte, würde die Hütte genauestens untersucht werden, Zentimeter für Zentimeter und Dielenbrett für Dielenbrett. Nur der Himmel wusste, was sie dort finden würden. Er dachte an Jacob, der in diesem Rattenloch seine Unschuld verloren hatte, und die Wut schnürte ihm die Kehle zu. Wie konnte ein so intelligenter Junge nur so dämlich sein!
Aber wenn die Weichteile das Denken übernahmen, setzte der Verstand aus. Und wie häufig war das der Fall? Er hatte noch nie einen Mann erlebt, egal, ob hetero oder schwul, der sich nicht von seinem Schwanz leiten ließ. Manchmal war das ja auch nicht das Schlechteste - schließlich hatte sein Schwanz ihn zu Rina geführt. Aber letztlich war es sein Herz gewesen, das ihn bei ihr bleiben und bereitwillig und ohne Groll Dinge wie Religion, Carpools und Schmachtfetzen im Kino akzeptieren ließ.
Ein plötzliches Knacken brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Sein Herz begann wie wild zu hämmern, und seine Sinne schalteten auf höchste Alarmstufe. Einigermaßen entsetzt erkannte er, dass er vor sich hin geträumt hatte. Wie dumm konnte ein Mensch bloß sein?
Er blieb stocksteif stehen... und wartete. Ströme von Schweiß liefen über sein Gesicht. Unbewusst hatte er seine Waffe aus dem Gürtel gezogen und seine Taschenlampe ausgeschaltet. Die Sekunden verstrichen. Langsam drehte Decker den Kopf und ließ seinen Blick suchend über die Schatten wandern. Schließlich entdeckte er ein Paar gelb glühender Augen, die ihn musterten. Sie waren größer als die einer Hauskatze, gehörten vielleicht einem großen Opossum oder einem kleinen Kojoten. Dann verschwanden sie.
Er zählte bis sechzig, schob den Revolver ins Halfter zurück, schaltete die Taschenlampe ein und machte sich wieder auf den Weg. Das Gelände begann leicht anzusteigen, und er wünschte sich, er hätte besseres Schuhwerk angezogen. Inzwischen konnte er die Lichter der Suchmannschaften nur noch als winzige Leuchtpunkte erkennen, nicht größer als die Sterne über ihm.
Er achtete sorgfältig darauf, wohin er trat, um seine Position nicht zu verraten. Das abrupte Knacken hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzt. Er war der Jäger, Holt die Beute. Ein Fehler, und die Rollen würden sich vertauschen. Mit dem Licht seiner Taschenlampe suchte er nach frischen Fußspuren, Blätterhaufen oder Lehmklumpen, die vor kurzem eingedrückt oder zertreten worden waren... nach einem Hinweis darauf, wo Holt stecken könnte.
Eine gute Idee, aber sie führte zu nichts.
Er stieg immer weiter den Berg hinauf.
Seine Gedanken wanderten zurück zu Holts Kindheit und der Tatsache, wie furchtbar es für Darrell gewesen sein musste, seinen jüngeren Bruder so zu verlieren - ein kleines Kind, abgelegt wie alte Kleidung. Wenn Philip Holt aus besserem Holz geschnitzt gewesen wäre, hätte er das Baby als sein eigenes angenommen. Decker hatte Rinas Söhne genauso gewissenhaft erzogen, wie er seine eigenen Töchter erzog - oder erzogen hatte. Andererseits waren Rinas Jungs nicht das Resultat einer ehebrecherischen Verbindung.
Er marschierte noch ein paar Minuten weiter, blieb dann stehen und sah sich um. Er befand sich mitten im Dickicht. Er wollte gerade sein Funkgerät einschalten, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen... als er es hörte.
Blitzschnell duckte Decker sich hinter einen Busch.
Er erstarrte.
Es war ein tiefes Knurren, so völlig tonlos, dass es wie ein schnelles, andauerndes Knacken klang. Plötzlich fühlte die Luft sich stickig an, und der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Einen Moment herrschte Stille, dann war sie wieder da - die bedrohliche Warnung.
Ich bin hier. Das ist mein Revier und nicht deins. Wag es ja nicht, dich mit
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