Der Vampirprinz: Royal House of Shadows (German Edition)
sie hätte sich in einem unterirdischen Hotel befinden können.
Es hatte keinen Grund für Nicolai gegeben, sich solche Mühe zu machen. Sie würden hier nicht leben. Nicht einmal den Tag hier verbringen. Höchstens vielleicht, dass er vermeiden wollte, dass sie sich aufregte. Sie riss die Augen auf. Genau deswegen, wurde ihr klar, hatte er es getan. Was für ein lieber Mann.
Und da war sie wieder, die Gefühlsachterbahn. Sie schniefte, und ihr Kinn zitterte.
„Weine nicht, Liebes. Bitte, nicht weinen.“ Er hockte neben ihr, ohne sie anzusehen, und hielt ein Bündel aus zerknittertem Stoff in den Händen. Und Gott, sein Profil war atemberaubend. Immer noch blutbeschmiert, auch wenn er sich notdürftig gewaschen hatte. Seine Wangen waren kantig, seine Lippen sinnlich und seine Miene entspannt. Der Kampf hatte ihm nichts anhaben können. „Es bringt mich um, dich weinen zu sehen.“
Nach allem, was er für sie getan hatte, würde sie tun, was immer er verlangte. Außerdem sah sie, trotz seiner entspannten Miene, Sorgenfalten, die von seinen Augen ausgingen, als wären sie dort eingebrannt. Da war noch etwas anderes, das ihm Sorgen bereitete, und sie wollte ihn nicht zusätzlich belasten.
„Ich weine nicht.“ Sie benutzte den Rand des Stofffetzens, den er ihr reichte, um ihr Gesicht abzuwischen.
Seine Sorgen schienen für den Augenblick vergessen, und seine Mundwinkel zuckten. Was war so lustig?
„Hast du gut geschlafen?“, fragte er.
„Ja, danke.“
„Gut. Und jetzt. Wirst du dir für mich etwas anziehen?“ Eine Frage voller Befürchtungen.
Sie glaubte zu wissen, warum. Ihre Nacktheit erregte ihn – zumindest hoffte sie das –, aber er wollte nichts deswegen unternehmen. Nicht nach dem, was hier geschehen war. Dafür war sie dankbar.
Sie kannte den Ratschlag, Schlechtes mit Gutem auszugleichen. Sie wusste auch, dass es nichts Besseres geben konnte als Nicolais Berührung. Er spielte auf ihr wie auf einem Klavier, schlug genau die richtigen Tasten an, um eine Symphonie zu erschaffen. Aber sie wollte, dass ihr erstes Mal einzig aus dem Bedürfnis heraus geschah, zusammen zu sein.
„Jane?“, fragte Nicolai vorsichtig.
Sie sollte sich anziehen. Richtig. „Was denn?“ Ihr Kleid war nicht mehr zu retten.
„Dein ‚Taschentuch‘.“
„Oh.“ Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie ihr „Taschentuch“ genauer betrachtete. Ein verblichenes gelbes Baumwollkleid, sauber und ohne Risse. Perfekt. „Wo hast du das her?“
Er deutete hinter sich und neigte den Kopf. „Die beiden anderen Frauen waren so dankbar, von ihren Oger-Herren befreit zu werden, dass sie noch geblieben sind, um mir beim Aufräumen zu helfen, und dir alle ihre Besitztümer geschenkt haben.“
„Das war sehr nett von ihnen.“
„Sie haben mir auch ihre Körper angeboten.“
„Ich wisch den Boden mit ihrem Blut!“ Sie zog sich das Kleid mit ruckartigen Bewegungen über den Kopf.
Als sie Nicolai wieder sehen konnte, merkte sie, dass er grinste. Sein Grinsen war … dekadent und schamlos. Ihr Blut brodelte. Blut, das ihm gehörte, das einst Teil von ihm gewesen war.
„Ich habe sie fortgeschickt“, sagte er. „ Ohne ihr Angebot anzunehmen.“
„Als würde es mich interessieren, was du tust“, schmollte sie. Dieses Gespräch, kurz nachdem sie sich gefragt hatte, ob er wohl einen Harem besaß, brachte ihre Laune zum Überkochen.
Seine Belustigung erlosch auf der Stelle. „Es sollte dich aber interessieren.“
Sie seufzte. Ehrlichkeit war wichtig, wenn sie irgendeine Art von Beziehung miteinander eingehen wollten. Und sie wollte eine Beziehung mit ihm, egal wie lange sie noch zusammen sein konnten. Einen Tag, eine Woche, einen Monat? Oder würde sie für immer hierbleiben?
Darüber wollte sie sich jetzt keine Gedanken machen.
„Schon gut“, sagte sie mit einem Seufzen. „Es interessiert mich.“ Ihr Magen knurrte vor Hunger, und in der Ruhe der Höhle hallte das Geräusch laut von den Wänden wider. Sie wurde rot. „Und was ist mit dir?“
„Mehr als ich sagen kann.“
„Ich will nur nicht … dass du verletzt wirst, wenn ich verschwinde.“
„Du wirst nicht verschwinden. Komm jetzt.“ Er stand auf und bot ihr seinen Arm. „Ich besorge dir was zu essen.“
Sie interessierte ihn! Aber wie konnte er sich so sicher sein, dass sie bleiben würde? „Wie spät ist es?“, fragte sie und nahm seine Hilfe mit einem zärtlichen Lächeln an. Ein Lächeln, das schnell wieder verblasste. Beim Aufstehen
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