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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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Satz, den er geschrieben hatte, und fuhr mit der Beschreibung der rosenknospengleichen Brustwarze fort.
    Obwohl die Fantasie eine seiner besonderen Gaben war, hätte der Geistliche nicht im Traum daran gedacht, dass er einer der erfolgreichsten erotischen Schriftsteller Englands werden könne. Beeindruckt von der Wirkung, die George Proudfoots Erzählungen auf seine Mutter hatten, hatte er mit dem Romanschreiben angefangen und war davon ausgegangen, dass er vermutlich nur auf dem Markt der Mainstreamliteratur Erfolg haben könnte. Als er seinen ersten Roman beendet hatte – Eine kurze, aber atemberaubende Erzählung von umfassendem Interesse –, schickte er ihn zum wichtigsten Verlag des Landes und betete im Stillen, man möge ihn annehmen. Nachdem er elf Monate vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte, schloss er daraus, dass kein Interesse bestand. Nun schrieb er ein neues Werk mit dem Titel Eine lange und langatmige Saga zügelloser Intrigen . In der Überzeugung, dass seine Adresse es den Leuten unmöglich machte, ihn ernst zu nehmen, mietete er ein Postfach und sandte sein Manuskript mit erwartungsvoll flatterndem Herzen los. Die unmissverständlich negativen Formbriefe, die schließlich eintrafen, spornten ihn nur noch mehr an, und so wurde jeder neue Roman sofort verschickt und dasselbe mit geschlossenen Augen vorgetragene Gebet dazu gemurmelt.
    Gerade als er Kopien seines achtzehnten Romans in die Post geben wollte, bekam er eine Reihe von Briefen, die, wie seine Finger sofort spürten, nicht die übliche vorgedruckte Absagekarte enthielten. Seine Begeisterung war so groß, dass er die Umschläge eine Woche lang nicht öffnen konnte. Sie blieben auf dem Kaminsims liegen und leuchteten heller als der Heiligenschein der Jungfrau Maria. Als er dann schließlich mit seinem elfenbeinernen Brieföffner hinter die Laschen fuhr, fand er statt der erwarteten Angebote die Aufforderung, nie wieder irgendein Manuskript einzusenden.
    Eine Woche lang rührte Rev. Septimus Drew seinen Füllfederhalter nicht an. Dann aber griffen seine heiligen Finger wieder zu und versenkten sich, da er sämtliche anderen Genres ausgeschöpft hatte, in den pikanten Dunst der Erotik. Seine Keuschheit erwies sich als Tugend, da seiner Fantasie keine Grenzen gesetzt waren. Alles war möglich. Er nahm das Pseudonym Vivienne Ventress an, um die Leute auszutricksen, und schickte seinen ersten Versuch, Die verbotene Frucht des Gemüsehändlers , an die einschlägigen Adressen – ohne Gebet. Als er irgendwann sein Postfach leerte, hatten etliche Verleger schon den dritten Brief geschrieben, in welchem sie Miss Ventress anflehten, einen Vertrag gleich für sechs Bücher abzuschließen. Alle hatten sie die Einzigartigkeit ihres Werks erkannt: die schillernden Freiräume, die sie der Fantasie des Lesers ließ, den moralisierenden Tonfall, der ihrem Buch eine in diesem Genre nie gehörte Stimme verlieh, ihre absolute Überzeugung von der Existenz wahrer Liebe, was vor ihr noch kein entsprechender Schriftsteller zum Ausdruck gebracht hatte. Rev. Septimus Drew schlüpfte in die Rolle der Koketten und besprenkelte die Briefe, mit denen er seine Absagen erteilte, mit den verführerischsten Düften. Die Taktik ging auf, denn die Angebote wurden sofort erhöht. Das höchste nahm der Kaplan an und bestand auf einer Vertragsklausel, die festlegte, dass in jedem Roman das Gute über das Böse zu siegen habe. Den Scheck mit dem hohen Vorschuss versteckte er hinter dem Messingkruzifix, das auf dem Kamin in seinem Arbeitszimmer stand, und als dann die Tantiemen einzutreffen begannen, hatte er genügend Mittel beisammen, um ein Heim für ehemalige Freudendamen zu gründen, die von der Liebe mit ihren vielfältigen Masken ruiniert worden waren.
    Bis mittags schrieb der Kaplan weiter und wurde dann von einem plötzlichen Anfall von Einsamkeit aus seinem verbotenen Roman gerissen. Als er an die Frau dachte, die ihn zu einem elenden Opfer von Schlaflosigkeit gemacht hatte, schaute er aus dem Fenster und hoffte, sie vielleicht irgendwo zu sehen. Das Einzige aber, was er sah, waren die Touristen, von denen einer soeben den Fehler begangen hatte, einen der widerwärtigen Raben anfassen zu wollen. Die Gedanken des Kaplans füllten sich mit den keuschen Ideen, die seine romantischen Fantasien beflügelten, und er fragte sich, ob diese Frau ihn sich je als ihren Ehemann vorstellen könnte. Der Krankenwagen hatte den Besucher längst abtransportiert, als der Geistliche

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