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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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»Ich habe mich gefragt, ob Sie ihn vielleicht kennen«, sagte sie.
    Der Pastor schaute an die Decke, während er nachdachte. »Der Name sagt mir nichts«, erklärte er. »Aber ich werde mich umhören. Ich kann mir besser Gesichter merken als Namen.«
    Er begleitete sie zur Tür und schaute zu, wie sie ihre Füße wieder in die Schuhe zwängte.
    »Vielleicht sollte ich es mit Jesuslatschen versuchen«, murmelte Valerie Jennings und griff nach der Türklinke.
    Zurück im Fundbüro, schaltete sie den Wasserkocher an und brachte, während sie auf heißes Wasser wartete, Hebe Jones in Sachen Safe auf den neuesten Stand. Als sie nach den Teetassen griff, läutete die Schweizer Kuhglocke, und sie war so schnell um die Ecke, wie ihr Schuhwerk es erlaubte. Anstelle des tätowierten Fahrkartenkontrolleurs stand dort aber eine Frau in einem Regenmantel und hielt eine große Plastiktüte in der Hand.
    »Das habe ich soeben auf der District Line gefunden, und ich dachte, ich bring es gleich vorbei«, sagte die Frau und schob die Tasche über den viktorianischen Schalter. Valerie Jennings griff hinein und holte den Inhalt heraus: einen schwarzen Mantel, einen Brustpanzer, einen Lichtsäbel aus Plastik und schließlich einen Helm mit einem auffälligen Mundschutz.
    Nachdem sie sich bei der Frau bedankt und ihr versichert hatte, dass man sich nur wünschen könne, alle seien so anständig wie sie, trug Valerie Jennings die Gegenstände ins Register ein. Sobald sie sich wieder allein wusste, nahm sie den Helm und setzte ihn auf. Als sie gerade mit beiden Händen den Lichtsäbel vor sich ausstreckte, sah sie plötzlich durch die Augenschlitze, dass da jemand vor ihr stand. Sie drehte den Kopf ein wenig und erkannte sofort die verwirrten Gesichtszüge von Arthur Catnip.
    »Sind Sie Valerie Jennings?«, fragte er.
    »Ich bin’s«, erklang die hohle Antwort.
    »Ich habe mich gefragt, ob Sie Lust hätten, heute Abend mit mir essen zu gehen«, sagte er und hielt gebührenden Abstand zu der Waffe.
    Der schwarze Helm nickte.
    »Wäre acht Uhr im Hotel Splendid in Ordnung?«
    Ein weiteres Nicken.
    Der Fahrkartenkontrolleur zögerte einen Moment, dann wandte er sich zum Gehen. »Möge die Macht mit dir sein«, rief er über die Schulter.
    Die Badezimmergardinen waren zugezogen, um die Nacht auszusperren. Der Yeoman Gaoler hievte sich aus der Wanne. Als er auf der Badematte stand, um sich den Rücken abzurubbeln, schwabbelte sein Gemächt unter dem Vollmond seines Bauches hin und her. Nachdem er den Schlafanzug angezogen hatte, putzte er sich die Zähne, und seine Zufriedenheit war so groß, dass er beschloss, seinem Zahnarzt einen Gefallen zu tun und auch noch Zahnseide zu benutzen.
    Im Bett schaltete er gleich die Lampe aus, seufzte zufrieden und wartete auf den herrlich ungestörten Schlaf, dessen er sich erfreute, seit der Kaplan die Lage geklärt hatte. Eigentlich hatte er kaum Hoffnungen auf die Fähigkeiten von Rev. Septimus Drew gesetzt und ihn nur aus schierer Verzweiflung um Hilfe gebeten, aber dann hatte sich der Exorzismus als so erfolgreich erwiesen, dass der Yeoman Gaoler fast geneigt war, Sonntag in den Gottesdienst zu gehen. Auch wenn er vor Kurzem noch die Religion als eine Form von Scharlatanerie verunglimpft hatte.
    Die Explosion ereignete sich irgendwann nach Mitternacht und erschreckte die Raben in einem Maße, dass sie alle gleichzeitig einen Flatschen fallen ließen. Der Yeoman Gaoler wurde aus seinen Träumen gerissen und war überzeugt davon, dass er den Herzinfarkt erlitten hatte, vor dem ihn die Tower-Ärztin stets warnte. Als sich der schmerzhafte Herzschlag schließlich verlangsamte, schwang er die Beine aus dem Bett und wankte zum Fenster. Mit dem Finger wischte er ein Loch ins Kondenswasser, dann legte er die Hände an die Scheibe und schaute hinaus in die Dunkelheit. Durch die Schmierstreifen konnte er nichts erkennen, also schob er das Fenster hoch und sah die flackernden Umrisse eines umfunktionierten Hühnerstalls, der keine Tür mehr hatte. Inmitten von gesplittertem Holz lag ein Mann mit Federhut und samtenen Kniehosen, das Gesicht rußverschmiert. Es dauerte eine Weile, bis der Geist des unglückseligen Entdeckers nach dem verpfuschten Experiment wieder zu sich kam. Langsam setzte er sich auf und lamentierte über den Zustand seiner perlenbestickten Jacke. Dann erhob er sich, klopfte sich den Staub von der Kleidung und machte sich daran, die Tür wieder einzusetzen.
    »Raleigh, dieser Bastard«, wütete

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