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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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Gedanken mehr an die Straußengeschichte, bis sie zwei Tage später mit dem vor Schmerzen kreidebleichen Milo ins Krankenhaus rasten. Der Arzt tippte mit seinem Stift auf die Röntgenaufnahme des verschlungenen Darms des Jungen und verwies auf etwas, das ohne jeden Zweifel der Rand eines Fünfzig-Cent-Stücks war.
    Balthazar Jones schob sein Schlafanzugbein hinunter und kehrte ins Bett zurück. In der festen Überzeugung, dass seine Ehefrau unwiederbringlich auf dem Meeresboden des Schlummers ruhte, drehte er ihr den Kopf zu und murmelte, dass der Tower nicht nur eine neue Menagerie bekomme, sondern dass man darüber hinaus ihm die Oberaufsicht zugedacht habe. Zufrieden, dass er seiner Pflicht endlich nachgekommen war, drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Hebe Jones allerdings schoss jetzt mit der Macht einer Seeschlange an die Meeresoberfläche.
    »Aber du weißt doch, dass ich Tiere hasse«, protestierte sie. »Mit dieser tattrigen Schildkröte habe ich mich überhaupt nur deshalb abgefunden, weil du behauptet hast, sie gehöre zur Familie.«
    Der Streit wurde nur dadurch beendet, dass Balthazar Jones noch einmal aufstand und ins Bad ging, wo er dann so lange gegen die einsamen Leiden der Verstopfung kämpfte, bis Hebe Jones wieder einschlief und ihre Schönheit sofort von der Ähnlichkeit mit ihrem Vater ausgelöscht wurde.
    Als schließlich der Wecker das Paar aus dem Schlaf riss, zogen sie sich schweigend jeder auf seiner eigenen Bettseite an. Keiner frühstückte, damit sie nicht gemeinsam am Küchentisch sitzen mussten, und als sie sich zufällig noch einmal über den Weg liefen, sagten sie nichts als: »Auf Wiedersehen.«
    Nachdem seine Frau zur Arbeit gegangen war, fuhr Balthazar Jones mit der Kleiderbürste über die Schulterpartie seiner Galauniformjacke und nahm seinen Hut oben aus dem Schrank. Er verließ den Tower in Richtung Londoner Zoo, die Hände ans Lenkrad geklammert, weil er sich nach der schlaflosen Nacht sehr konzentrieren musste. Neben ihm schlingerte seine Partisane hin und her, eine Art Hellebarde von fast zweieinhalb Metern Länge, die einen Mann innerhalb kürzester Zeit seiner Eingeweide berauben konnte. Für gewöhnlich blieb sie besonderen Zeremonien vorbehalten, aber Oswin Fielding hatte darauf bestanden, dass er sie mitbrachte, damit er für die Presse den perfekten Beefeater abgeben würde.
    Nachdem er zwischen den Satellitenwagen der Fernsehsender eine Parklücke gefunden hatte, blieb er eine Weile hinterm Steuer sitzen, um sich Mut für die anstehende Aufgabe zu machen. Da ihm das nicht gelang, stieg er irgendwann aus und vergaß seine Partisane. Er trat durch das schmiedeeiserne Tor und schaute zu, wie eine Gruppe schwarzäugiger Pinguine, für die man eine Spur silbriger Fische ausgelegt hatte, im Gänsemarsch über eine Planke in einen Lieferwagen watschelte. Irgendwann waren sie alle drin, und nur ein vereinzelter Vogel stand noch in der Tür und schaute zum Gehege zurück. Der Fahrer, der die Ärmel seines karierten Hemds bis zu den Ellbogen aufgekrempelt hatte, scheuchte ihn hinein, nahm schnell die Planke weg und schloss die Tür. Plötzlich hörte der Beefeater ein klatschendes Geräusch hinter sich. Er drehte sich um und sah, wie ein vereinzelter Pinguin den nassen Fußstapfen folgte und bei dem Versuch, sich zu beeilen, hin und her schaukelte.
    »Sie haben einen vergessen«, rief er.
    »Herrgott noch mal!«, sagte der Fahrer, der bereits zu einer Zigarette gegriffen hatte, obwohl er sich am Morgen geschworen hatte, mit dem Rauchen aufzuhören. »Ich wusste, dass dieser Job ein Alptraum sein würde. Jetzt muss er mit zu mir nach vorne kommen. Diese Tür mach ich nicht noch einmal auf, die ganze verdammte Meute würde mir wieder raushüpfen. Über zwei Stunden und einen Abstecher zum Fischladen hat es mich schon gekostet, sie da reinzukriegen. Schlimmer als Kinder, und ich muss es wissen, ich habe vier von der Sorte. Wie sehen Sie eigentlich aus? Sind wir beim Kostümball, oder was?«
    Die Dinge begannen sich in eine ziemlich andere Richtung zu entwickeln, als es von dem, was Oswin Fielding »den Plan« genannt hatte, vorgesehen war. Er war an Balthazar Jones herangetreten und hatte ihn darüber informiert, dass die Presse ein Foto von ihm und ein paar Tieren der Königin machen wolle. Nachdem er sich darüber echauffiert hatte, dass der Beefeater seine Partisane im Auto vergessen hatte, trieb der Höfling die Journalisten zum Affenhaus und blieb, verführt

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