Der verborgene Stern
Rechtshänderin. Sie schreiben ordentlich und schlicht, M.J. hingegen kritzelt eher. Die Notiz war in Ihrer Tasche. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Ihnen um Bailey handelt.“
„Bailey.“ Sie versuchte, den Namen in sich aufzunehmen, in der Hoffnung, etwas Vertrautes dabei zu empfinden. Aber der Klang war ihr vollkommen fremd. „Das bedeutet mir nichts.“
„Es bedeutet, dass wir zumindest einen Namen haben, den wir Ihnen geben können. Das ist ein Anfang. Erzählen Sie mir, was Sie als Nächstes getan haben.“
Verwirrt blinzelte sie ihn an. „Oh, ich … in dem Zimmer lag ein Telefonbuch. Also habe ich nach einer Privatdetektei gesucht.“
„Und warum haben Sie mich ausgewählt?“
„Das lag am Namen. Er klang irgendwie so … kraftvoll.“ Sie schenkte ihm ihr erstes Lächeln, es war zwar schwach, aber es war da. „Ich wollte schon anrufen, aber dann dachte ich, dass Sie mir vielleicht keinen Termin geben würden. Wenn ich aber einfach vorbeikäme … Also wartete ich in meinem Zimmer, bis die Geschäfte öffneten, dann lief ich eine Weile herum und nahm mir schließlich ein Taxi. Und hier bin ich.“
„Warum sind Sie nicht in ein Krankenhaus gefahren? Oder haben einen Arzt gerufen?“
„Das habe ich überlegt.“ Sie blickte auf ihre Hände hinab. „Habe es dann aber lieber doch nicht getan.“
Sie ließ ziemlich viel aus, das war offensichtlich. Cade nahm einen Schokoladenriegel aus der Schublade. „Sie haben nicht gesagt, dass Sie irgendwo frühstücken waren.“ Er sah, wie sie den Schokoriegel mit einer Mischung aus Verwunderung und Dankbarkeit betrachtete. „Das sollte erst mal reichen, bis wir etwas Besseres für Sie finden.“
„Dankeschön.“ Mit akkuraten Bewegungen wickelte sie den Riegel aus seinem Papier. Vielleicht rührte ja zumindest ein Teil des seltsamen Gefühls in ihrem Magen vom Hunger? „Mr. Parris, vielleicht gibt es Menschen, die sich Sorgen um mich machen. Familie, Freunde. Ich könnte doch ein Kind haben, nicht wahr? Ich weiß es nicht.“ Ihre Augen wurden dunkel, sie fixierte einen Punkt hinter ihm. „Allerdings glaube ich das nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sein eigenes Kind vergessen könnte. Aber irgendjemand macht sich womöglich Sorgen um mich, fragt sich, was mit mir geschehen ist und warum ich letzte Nacht nicht nach Hause gekommen bin.“
„Sie hätten zur Polizei gehen können.“
„Ich wollte nicht zur Polizei.“ Diesmal klang ihre Stimme überraschend streng. „Nicht bis … Nein, ich will nicht zur Polizei.“ Sie zog ein weiteres Taschentuch aus der Pappschachtel und begann, es in kleine Streifen zu reißen. „Vielleicht sucht jemand nach mir, der nicht gerade mein Freund ist. Dem es nicht um mein Wohlergehen geht. Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, aber ich weiß, dass ich Angst davor habe. Es geht um mehr als nur darum, dass ich mich nicht erinnere. Aber das alles kann ich erst begreifen, wenn ich weiß, wer ich bin.“
Vielleicht lag es an diesen großen feuchten Augen, die ihn anstarrten, oder an der Art, wie sie nervös und hilflos an dem Taschentuch herumnestelte – jedenfalls konnte Cade dem Bedürfnis, ein wenig anzugeben, einfach nicht widerstehen.
„Ein paar Dinge kann ich Ihnen schon jetzt sagen. Sie sind eine intelligente Frau, Anfang oder Mitte zwanzig. Sie haben einen guten Blick für Farben und Stil und genug Geld auf dem Konto, um italienische Schuhe und Seidenanzüge zu kaufen. Sie sind gepflegt und wahrscheinlich ziemlich ordentlich. Sie ziehen Understatement vor. Und ich vermute, dass Sie eine schlechte Lügnerin sind. Sie haben einen klugen Kopf, denken gründlich über alles nach. Sie werden nicht schnell panisch. Und Sie essen gern Schokolade.“
Sie zerknüllte das glänzende Schokoladenpapier, das vor ihr auf dem Tisch lag. „Wie kommen Sie auf all das?“
„Sie können sich gut ausdrücken, selbst wenn Sie Angst haben. Sie haben genau überlegt, wie Sie mit Ihrer Situation umgehen sollen, und haben jeden einzelnen Schritt logisch ausgeführt. Sie ziehen sich gut an – Qualität geht Ihnen über modischen Schnickschnack. Sie haben gepflegte Fingernägel, aber tragen keinen auffälligen Nagellack. Ihr Schmuck ist sehr besonders, interessant, aber nicht überladen. Und Sie halten Informationen zurück, seit sie dieses Büro betreten haben, weil Sie noch nicht genau wissen, wie sehr Sie mir vertrauen können.“
„Wie sehr kann ich Ihnen denn vertrauen?“
„Sie sind
Weitere Kostenlose Bücher