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Der verborgene Stern

Der verborgene Stern

Titel: Der verborgene Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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zu mir gekommen.“
    Langsam stand sie auf, ging zum Fenster hinüber und lauschte dem Trommeln des Regens, der ihre hinter den Augen liegenden Kopfschmerzen verstärkte. „Ich erkenne diese Stadt nicht wieder“, murmelte sie. „Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich sie kennen muss . Ich weiß, wo ich bin, weil ich diese Zeitung sah, die Washington Post . Ich weiß, wie das Weiße Haus aussieht und das Kapitol. Ich kenne all die Denkmäler – aber die könnte ich auch im Fernsehen oder in einem Buch gesehen haben.“
    Sie legte ihre Hände auf das vom Regen feuchte Fensterbrett. „Ich komme mir vor, als ob ich aus dem Nichts direkt in dieses hässliche Hotelzimmer gefallen wäre. Und doch kann ich schreiben und lesen und laufen und sprechen. Der Taxifahrer hatte das Radio an, und ich erkannte die Musik. Ich erkannte Bäume. Ich war nicht überrascht, dass der Regen nass war. Ich habe Kaffee gerochen, als ich hier ins Büro kam, und der Geruch war mir vertraut. Ich weiß, dass Ihre Augen ein sehr seltenes Grün haben. Und wenn der Regen einmal aufhört, weiß ich, dass der Himmel blau sein wird.“
    Sie seufzte tief. „Also bin ich nicht aus dem Nichts gefallen. Es gibt Dinge, die ich weiß, Dinge, derer ich mir sicher bin. Aber mein eigenes Gesicht sagt mir nichts, und was sich hinter diesem Gesicht abspielt, ist mir vollkommen schleierhaft. Vielleicht habe ich jemanden verletzt – oder Schlimmeres. Vielleicht bin ich egoistisch und berechnend, sogar brutal. Ich könnte einen Ehemann haben, den ich betrüge, oder Nachbarn, mit denen ich im Streit bin.“
    Jetzt drehte sie sich wieder zu ihm um. Ihr Gesicht war angespannt und bildete einen merkwürdigen Kontrast zu den großen, unter dichten Wimpern liegenden Augen, die noch immer feucht von Tränen waren. „Ich weiß nicht, ob mir gefallen wird, was Sie über mich herausfinden, Mr. Parris. Aber ich muss es wissen.“ Sie stellte die Tasche auf seinem Schreibtisch ab und öffnete sie. „Ich denke, ich habe genug, um Sie bezahlen zu können.“
    Cade kam aus einem sehr reichen Elternhaus, doch selbst er hatte noch nie so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Die Tasche war prall gefüllt mit gebündelten Hundert-Dollar-Scheinen – jeder einzelne glatt, sauber und neu. Fasziniert nahm er ein Bündel heraus und blätterte es durch. Ja, tatsächlich. Jeder Schein trug Ben Franklins schlichtes, würdevolles Gesicht.
    „Ich vermute, das ist ungefähr eine Million“, murmelte er.
    „Eine Million zweihunderttausend.“ Bailey erschauerte, als sie in die Tasche blickte. „Ich habe die Bündel gezählt. Ich weiß nicht, wo das Geld herkommt und warum ich es bei mir habe. Vielleicht hab ich es gestohlen.“
    Erneut stiegen Tränen in ihre Augen, und sie wandte sich ab. „Es könnte sich um Lösegeld handeln. Ich könnte in eine Entführung verwickelt sein. Womöglich wird irgendwo ein Kind festgehalten, und ich habe das Lösegeld an mich genommen. Ich könnte …“
    „Fügen wir zu Ihren Eigenschaften noch eine blühende Fantasie hinzu.“
    Es lag an seiner kühlen und sachlichen Stimme, dass sie tief durchatmete und ihn wieder ansah. „In dieser Tasche steckt ein Vermögen.“
    „Eine Million zweihunderttausend ist heutzutage kein großes Vermögen mehr.“ Er ließ das Geldbündel zurück in die Tasche fallen. „Und es tut mir leid, Bailey, aber Sie sind einfach nicht der Typ ‘eiskalte Entführerin’.“
    „Aber Sie könnten das überprüfen. Sie könnten diskret herausfinden, ob es eine Entführung gegeben hat.“
    „Natürlich. Wenn die Polizei eingeschaltet wurde, kann ich das herausfinden.“
    „Und falls es einen Mord gegeben hat?“ Sie versuchte, ruhig zu bleiben, während sie erneut in die Tasche griff. Diesmal zog sie eine 38er hervor.
    Cade zog scharf die Luft ein. Vorsichtig schob er den Lauf zur Seite, dann nahm er ihr die Pistole aus der Hand. Es handelte sich um eine Smith and Wesson , die, wie er nach kurzer Prüfung feststellte, voll geladen war. „Wie fühlt sie sich in Ihrer Hand an?“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Wie hat es sich angefühlt, als Sie sie in die Hand genommen haben? Das Gewicht, die Form?“
    Obwohl sie verblüfft über die Frage war, tat sie ihr Bestes, so präzise wie möglich zu antworten. „Sie ist nicht so schwer, wie ich dachte. Etwas mit so viel Kraft sollte mehr wiegen, mehr Substanz haben. Ich würde sagen, es fühlte sich komisch an.“
    „Der Kugelschreiber hingegen nicht.“
    Sie fuhr sich mit den

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