Der verbotene Garten
mir!«, jammerte Mae. »Das können Sie mir doch nicht wegnehmen!«
»Du hast mich heute bereits genug gekostet.«
»Ich bin mir keiner Schuld bewusst.«
»Ach nein? Ich wette, du wusstest genau, was du tust, und hattest das auch schon lange geplant.«
Mit einem Mal wurde Mae wieder laut und zornig. »Ich habe Ihnen zwei Mädchen gebracht, wie Sie verlangt haben, aber ich habe nie bekommen, was mir versprochen wurde.«
»Du hättest deine Belohnung nach dem heutigen Abend bekommen.«
»Bevor Sie mich weggeschickt hätten?«
Miss Everett antwortete nicht.
»Ich wusste, dass Sie Alice behalten wollten«, klagte Mae. »Missouri hatâs mir selbst gesagt.«
»Törichtes Mädchen«, schimpfte Miss Everett. »Ich wollte euch beide behalten.«
Schritte näherten sich von der anderen Seite der Tür. Ich eilte den Gang hinunter. Als die Tür aufgerissen wurde, drehte ich mich zurück. Miss Everett stand dort, mit wutverzerrter Miene, Mae am Arm gepackt.
»Cadet!«, rief die Madame.
Er eilte augenblicklich von seinem Haustürposten herbei.
»Wirf die hier raus«, zischte Miss Everett mit zusammengepressten Zähnen.
Mae jammerte und flehte, bleiben zu dürfen.
»Deinen Anblick will ich nie wieder ertragen müssen«, sagte die Madame.
In dem Moment entdeckte mich Mae. »Ada, sag du ihr, dass ich nichts Unrechtes getan habe.«
Fassungslos sah ich sie an. Sie hatte Alice aus Eigennutz ins Verderben geschickt, und womöglich hätte sie dasselbe mit mir getan. Das Mädchen, das ich für meine Retterin gehalten hatte. Bekümmert und erleichtert zugleich schaute ich zu, wie Cadet sie schlieÃlich vor die Tür setzte.
Am nächsten Morgen kam Miss Everett zu mir. Mr. Wentworth hatte eine Nachricht übermittelt. Er habe den gemeinsamen Abend im Theater sehr genossen und wünsche nun, die Dinge mit mir voranzutreiben, und dies sehr bald. »Er muss die Stadt während der Weihnachtstage verlassen, aber er hat mir versichert, dass er noch vor Neujahr zurückkehrt und dich sehen will.« Dieses Mal, so Miss Everett, würde es nicht ins Theater gehen. Der Abend würde in Roseâ Zimmer beginnen und dort auch enden.
»Er hat eine beträchtliche Summe für dich geboten, meine Liebe«, sagte sie lächelnd.
»Wie viel denn?« Ich wollte es unbedingt wissen.
»Solche Details bespreche ich mit meinen Mädchen nicht«, sagte sie und drohte mir mit dem Finger. »Das schafft nur böses Blut.«
Plötzlich sah ich Mrs. Wentworth vor mir, und die kleine Börse, die sie für Mama auf den Tisch gestellt hatte. Die Frage, wie viele Münzen darin gewesen waren, hatte mich immer beschäftigt. Miss Everett mochte ihre Gründe haben, warum sie mir Mr. Wentworths Angebot verschweigen wollte, doch das würde ich nicht hinnehmen.
»Ich gehe nicht zu ihm aufs Zimmer, bevor ich nicht weiÃ, wie viel«, trotzte ich ihr.
»Sei nicht albern, Ada. Er ist bereit, das zu zahlen, was ich in deinem Fall angemessen finde. Das sollte genügen.«
»Bitte, ich muss es wissen.«
SchlieÃlich sagte sie: »Es ist mehr, als Rose erzielt hat, und ihr Preis war bislang der höchste, der je für ein erstes Mal geboten wurde. Und wage es ja nicht, das irgendjemandem gegenüber zu erwähnen.«
»Ganz sicher nicht.«
»So viel wirst du nie wieder in einer einzigen Nacht erzielen, aber wenn alles gutgeht, erringst du seine Gunst, und dann gibt es Geschenke und vielleicht eine Zukunft mit ihm, und das wäre aller Mühen wert.«
Zwei Wochen nach dem Ãbergriff auf Alice bildete sich dort, wo sich ihr Mr. Samuels aufgezwungen hatte, ein Schanker, der sich zu einem nässenden Geschwür auswuchs. Dr. Sadie zog Gummihandschuhe an und trug eine Kalomelsalbe auf.
»Ich fürchte, von jetzt an wird es nur schlimmer«, gestand sie mir. Sie hatte einen Schanker erwartet und war sicher, dass ein Fieber folgen würde. »Sie wird einen entsetzlichen Ausschlag am gesamten Körper bekommen, selbst an Handflächen und FuÃsohlen.« Dr. Sadie hatte Alice beharrlich fast jeden Tag gepflegt und ihr Medizin, Trost und Mitleid gespendet. »Viel mehr kann ich nicht tun.«
Weihnachten folgte bald darauf, und Miss Everett hatte, um die Stimmung zu heben und ein Gefühl der Normalität zu vermitteln, daraus einen richtigen Festtag gemacht. Sie
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