Der verbotene Garten
lieà das reguläre Geschäft ruhen und verwandelte den groÃen Salon in einen funkelnden Festsaal. Selbst das Obst auf dem Tisch â Ãpfel, Birnen, Trauben und Persimonen â glitzerte von Zucker und Kerzenlicht.
Rose stattete uns, in Zobel und Diamanten gehüllt, einen Ãberraschungsbesuch ab und wurde sehr von Missouri und Emily umschmeichelt, die Näheres aus ihrem neuen Leben im Fifth Avenue Hotel hören wollten. Cadet, der einzige Mann im Haus, saà beim Dinner am Kopfende, ein Schnitzmesser in der Hand.
Alice nahm alles mit groÃen erstaunten Augen, in denen Tränen schimmerten, auf.
Am Tag nach Weihnachten überlegten Miss Everett und Dr. Sadie hin und her, was mit Alice geschehen solle. Dr. Sadie hatte sie in das Krankenhaus an der Second Avenue bringen wollen, aber dort gab es keine Betten für »die mit derlei Leiden«. Die Madame klagte, sie habe Alice schon länger bei sich geduldet, als es dem Haus guttat. Sie fürchtete um ihr Geschäft, sollte irgendjemand vom Zustand des Mädchens erfahren. Am Ende kleidete Dr. Sadie Alice in Umhang und Schleier, führte sie nachts aus dem Haus und wollte sie auf die lange Fahrt in das Armenkrankenhaus auf Blackwellâs Island begleiten. Cadet fuhr mit, um Abschied zu nehmen.
Ich durfte mich nicht anschlieÃen. So sagte ich Alice an der Tür Lebewohl.
»Machâs gut«, brachte ich heraus und sah sie mit feuchten Augen an.
»Finde für uns beide Glück«, erwiderte sie.
Dr. Sadie begleitete mich am folgenden Tag bei einem Gang zur Apotheke auf der Thirteenth Street.
»Sie wird überleben, oder?«, fragte ich.
»Ja, wahrscheinlich.«
»Wird sie jemals wieder gesund?«
»Nein, nicht vollständig. Du erinnerst dich doch an Miss Tully?«
»Ja«, gab ich zurück und wollte es auch dabei belassen.
Um mich aufzumuntern, nahm Dr. Sadie meinen Arm und erzählte mir, dass Mr. Hetherington ein neues Parfumöl im Sortiment hätte, das ich unbedingt probieren müsse.
»Und hast du seine Fische schon gesehen?«, fragte sie. »Falls nicht, wird es höchste Zeit.«
Mr. Hetherington und Dr. Sadie plauderten bestimmt eine ganze Stunde lang. Mr. Hetherington äuÃerte sich ausführlich über den Nutzen dieses Ãls oder jenen Puders, Dr. Sadie kauerte auf einem Hocker und lauschte verzückt. Ich beobachtete schweigend einen Fisch, während sie beide auf das Thema zu sprechen kamen, wie gern sie sich Gedanken über das Denken an sich machten. Mr. Hetherington sagte, seine beste Zeit zum Denken sei »nachdem«. »Nachdem der Riegel endlich vor der Tür liegt ⦠Nachdem ich endlich das Schild herumgedreht, die Welt geschlossen und mich geöffnet habe.«
Dr. Sadie sagte, ihr gehe es ebenso, sie würde jeden Abend über Rezepturen, Mengen und Infusionen, über Aufrichtigkeit und die rechte wissenschaftliche Praxis sinnen. »Ich glaube, dass jeder Gedanke, so wie die Blätter einer Pflanze, tief in sich das Wesen der Wahrheit trägt.«
Mr. Hetherington strahlte sie an. »Natürlich denke ich ab und zu ein wenig zu viel, und dann entsteht ein entsetzliches Durcheinander in meinem Kopf. Darum gehe ich am Sonntagnachmittag auch nicht mehr zu den Zaubervorstellungen in den Palast der Illusionen, denn beim Grübeln über die Tricks wurde ich fast verrückt. Manchmal blieb ich tagelang wach und versuchte herauszufinden, wie etwas funktioniert.«
Dann zog er ein Glasgefäà unter der Theke hervor und reichte es Dr. Sadie. »Aber in jüngster Zeit habe ich über Ihr karbolisches Problem nachgedacht, darüber, dass die Seife Ihren Händen so schadet â¦Â«
Dr. Sadie schaute auf ihre rauen Finger und errötete.
»Versuchen Sie es einmal hiermit«, sagte er, öffnete das Glas und reichte es ihr. »Vielleicht hilft das.«
Der Geruch der Salbe drang bis zu mir. Sie duftete ein wenig wie die Törtchen aus Muellerâs Bäckerei, die sich nachmittags auf Miss Everetts Teewagen stapelten.
»Danke schön«, sagte Dr. Sadie, tauchte ihre Finger in die Mixtur und rieb sich damit ein wenig über die Hände. »Mein Glaube an Dr. Listers antiseptische Methoden hat leider seinen Preis.« Sie hielt einen Moment inne, betrachtete ihre Haut und nickte Mr. Hetherington zustimmend zu. »Wundervoll. Ich spüre den Unterschied jetzt schon. Was ist da
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