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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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leicht aufgeben. Ich erinnere mich gut, daß Damon länger als ein Jahr wie eine verlorene Seele im Vorhof der Hölle umherirrte.« Unbeholfen tätschelte er ihren Arm. »Ich werde keine Fragen stellen, Chiya . Aber wenn dieser Ehemann von dir nicht gut für dich ist …«
    Abwehrend hob sie die Hand. »Nein, nein. Es hat nichts mit Andrew zu tun, Vater.«
    Mit skeptischem Stirnrunzeln meinte er: »Wenn eine seit ein paar Monden verheiratete Frau aussieht wie du, ist der Ehemann selten ohne Schuld daran.«
    Callista errötete unter seinem forschenden Blick, aber ihre Stimme klang fest. »Auf mein Wort, Vater, wir haben nicht miteinander gestritten, und Andrew ist überhaupt kein Vorwurf zu machen.« Es war die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit. Es gab keine Möglichkeit, jemandem außerhalb ihres geschlossenen Kreises die ganze Wahrheit zu erzählen, und Callista war sich nicht einmal sicher, daß sie selbst sie kannte. Dom Esteban spürte, daß sie ihm auswich, doch er akzeptierte die Schranke zwischen ihnen. »Nun, nun, die Welt geht, wie sie will, Tochter, und nicht, wie du oder ich es gern hätten. Hast du gefrühstückt?«
    »Nein, ich habe gewartet, um dir Gesellschaft zu leisten.«
    Er rief Diener herbei und ließ mehr Essen bringen, als sie wollte, aber sie wußte, daß ihre Magerkeit und Blässe ihn entsetzt hatten. Wie ein gehorsames Kind zwang sie sich, ein bißchen mehr zu essen, als sie Lust hatte. Seine Augen ruhten währenddessen auf ihrem Gesicht, und endlich sagte er milder, als seine Gewohnheit war: »Manchmal denke ich, Kind, ihr Comyn -Töchter, die ihr in die Türme geht, nehmt keine geringeren Gefahren auf euch als unsere Söhne, die der Garde beitreten und an unsern Grenzen kämpfen … und bei euch ist es ebenso unvermeidlich, glaube ich, daß einige verwundet werden.«
    Wie viel wußte er? Wie viel verstand er? Callista war klar, daß er so viel gesagt hatte, wie er konnte, ohne eins der stärksten Tabus innerhalb einer Telepathen-Familie zu brechen. Trotz ihrer Verlegenheit fühlte sie sich auf seltsame Weise getröstet. Es war ihm sicher nicht leicht gefallen, sich so weit vorzuwagen.
    Dom Esteban schob ihr einen Krug mit Honig für ihr Brot hinüber. Lachend lehnte sie ab. »Möchtest du mich so fett wie ein Brathuhn haben?«
    »Vielleicht so fett wie eine Sticknadel«, brummte er. Als sie jetzt sein Gesicht betrachtete, fiel Callista auf, daß auch er abgemagert, vergrämt und erschöpft aussah und seine Augen tiefer zwischen Wangenknochen und Brauen saßen.
    »Ist keiner hier, der dir Gesellschaft leisten kann, Vater?«
    »Oh, Ellemir kommt ab und zu herein und läuft dann wieder in die Küche. Damon ist ins Dorf gegangen und besucht die Familien der Männer, die in dem großen Sturm Erfrierungen bekamen, und Andrew sieht in den Gewächshäusern nach, was der Frost angerichtet hat. Warum gehst du nicht zu ihm, Kind? Ich bin überzeugt, dort gibt es Arbeit für zwei.«
    »Und es steht fest, daß ich für Ellemir in der Küche keine Hilfe bin«, gab Callista lachend zurück. »Später vielleicht. Wenn die Sonne herauskommt, wird große Wäsche gehalten, und ich muß die Leinenschränke durchsehen.«
    Dom Esteban lachte. »Und Ellemir sagt immer, sie wolle lieber Ställe ausmisten, als eine Nadel in die Hand nehmen! Aber später können wir vielleicht wieder etwas Musik hören. Ich dachte vorhin daran, daß ich in den jüngeren Jahren die Laute gespielt habe. Möglich, daß meine Finger ihre Geschicklichkeit zurückbekommen. Ich habe so wenig zu tun; ich sitze hier den ganzen Tag …«
    Die Frauen des Haushalts hatten mit Hilfe einiger Männer die großen Waschfässer in die hinteren Küchenräume geschleppt und sich an die Arbeit gemacht. Callista stellte fest, daß sie dort überflüssig war. Sie suchte den kleinen Destillierraum auf, der zu ihrem eigenen Reich geworden war. Nichts war, wie sie es verlassen hatte. Sie erinnerte sich, daß Damon während ihrer Krankheit hier experimentiert hatte. Callista begann, die von ihm angerichtete Unordnung zu beseitigen. Die Vorräte an einigen ständig gebrauchten Medizinen und Heilmitteln mußten ergänzt werden. Während ihre Hände sich mit einer einfachen Kräutermischung beschäftigten und sie in Portionen für die Teezubereitung abteilten, erinnerte sie sich daran, daß eine weit schwierigere Aufgabe vor ihr lag: Sie mußte Kirian herstellen.
    Als Callista den Turm verließ, hatte sie geglaubt, das werde sie nie wieder tun müssen.

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