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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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jedes andere Männchen als Rivalen oder Bedrohung betrachten. Ist es dir unmöglich, Freude an männlicher Sexualität zu haben?«
    »Ja, zum Teufel«, stieß Andrew voller Abscheu hervor. »Kannst du es vielleicht?«
    »Natürlich«, sagte Damon erstaunt. »Ich liebe die … die Wahrnehmung deiner Männlichkeit, wie ich die Weiblichkeit bei den Frauen liebe. Ist das so schwer zu verstehen? Es bringt mir meine eigene … eigene Mannheit … stärker zum Bewußtsein …« Mit verlegenem Lachen unterbrach er sich. »Wie kann es zwischen uns solche Schwierigkeiten geben? Selbst die Telepathie bringt keine Verständigung, weil es keine geistigen Bilder gibt, die die Worte illustrieren.« Ruhiger setzte er hinzu: »Ich bin nicht homosexuell, Andrew. Aber diese … diese Art von Furcht kann ich kaum begreifen.«
    Andrew brummte, ohne ihn anzusehen: »Ich vermute, es ist nicht so besonders wichtig. Nicht hier.«
    Es bestürzte Damon, daß eine für ihn so einfache Sache in seinem Freund so starke Zweifel an sich selbst, so viel echte Furcht erzeugten. Beunruhigt sagte er: »Nein, das nicht. Aber, Andrew, wir sind mit Zwillingsschwestern verheiratet. Wir werden wahrscheinlich den Großteil unseres Lebens zusammen verbringen. Muß ich immer Angst davor haben, daß ein Augenblick, in dem ich dir … Zuneigung zeige, dich abstößt und so aus der Fassung bringt, daß wir alle, auch die Frauen, dadurch verletzt werden? Wirst du immer davor zittern, daß ich … eine unsichtbare Grenze überschreite, daß ich dich zu, etwas zwingen will, das … das dich mit Abscheu erfüllt? Wie lange …« – seine Stimme brach – »wie lange wirst du vor mir noch auf der Hut sein?«
    Andrew wand sich vor Verlegenheit. Er wünschte sich tausend Meilen weit fort, um nicht Damons Fragen, Damons Nähe ausgesetzt zu sein. Bisher war ihm noch nie ganz klar geworden, was es bedeutete, Telepath und Teil einer Gruppe wie dieser zu sein, wo es keine Möglichkeit gab, sich zu verstecken. Jedes Mal, wenn sie versuchten, sich voneinander abzuschließen, gerieten sie in Schwierigkeiten. Sie mußten den Tatsachen ins Auge sehen. Plötzlich hob Andrew den Kopf und sah Damon gerade an. Mit leiser Stimme sagte er: »Sieh mal, du bist mein Freund. Alles, was du möchtest, wird … wird für mich immer in Ordnung sein. Ich werde versuchen, mich … über manche Dinge nicht so aufzuregen. Es …« – nicht einmal ihre Hände berührten sich, aber Andrew hatte die Empfindung, als ständen Damon und er dicht beieinander und umarmten sich wie Brüder – »… Es tut mir leid, daß ich deine Gefühle verletzt habe. Das möchte ich um nichts in der Welt, Damon, und das solltest du mittlerweile wissen.«
    Damon blickte zu ihm auf. Es rührte und erschütterte ihn, denn er erkannte, welche ungeheure Tapferkeit es für Andrew bedeutete, das zu sagen. Ein Außenseiter, und doch hatte er sich so weit angepaßt. Er war ihm auf mehr als halbem Wege entgegengekommen, um den Riß zwischen ihnen zu heilen. So berührte Damon den Freund leicht am Handgelenk. Es war die federleichte Berührung, mit der sich Telepathen der gegenseitigen Verbundenheit vergewisserten. Sehr sanft sagte er: »Und ich werde versuchen, mir immer vor Augen zu halten, daß dir dies noch fremd ist. Du bist jetzt so sehr einer von uns, daß ich vergesse, dir Zugeständnisse zu machen. Und nun genug davon. Es ist Arbeit zu tun. Ich muß überall in den Archiven von Armida nachsehen, ob ich eine Erwähnung des alten Jahresende-Festes vor dem Zeitalter des Chaos und dem Brand von Neskaya finde. Habe ich keinen Erfolg, muß ich in den Aufzeichnungen der anderen Türme suchen, und ein Teil dieser Arbeit kann nur durch die telepathischen Relais geschehen. Ich kann nicht nach Arilinn, nach Neskaya und nach Dalereuth reisen. Aber ich bin überzeugt, daß wir die Antwort eines Tages haben werden.«
    Er begann, Andrew davon zu erzählen. Immer noch fühlte er sich müde und deprimiert, eine unvermeidliche Reaktion auf die lange Reise durch die Überwelt. Damon sagte sich, er dürfe für seinen eigenen seelischen Zustand nicht Andrew verantwortlich machen. Wenn sie erst alle wieder ins normale Leben zurückgefunden hatten, würde es leichter sein.
    Aber wenigstens, dachte er, gab es jetzt so etwas wie eine Hoffnung darauf.

 
16
     
    Die Suche in den Archiven von Armida förderte nichts zu Tage. Es gab Aufzeichnungen über alle Arten von Festen, die zur einen oder anderen Zeit in den Kilghardbergen gebräuchlich

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