Der verbotene Turm
ist schwindelig, als wäre ich bereits betrunken.«
»Ihr habt zu lange auf dem Rücken gelegen«, stellte Damon sachlich fest. »Bald werdet Ihr Euch daran gewöhnt haben.«
»Nun, besser, ich sitze, als ich bin auf Kissen hochgestützt wie eine Frau im Kindbett! Und wenigstens sind meine Beine noch da, wenn ich sie auch nicht fühlen kann.«
»Sie sind noch da«, versicherte Damon ihm, »und wenn jemand Euren Stuhl schiebt, könnt Ihr zu ebener Erde überall hin.«
»Das wird eine Erleichterung sein«, sagte Esteban. »Ich habe es satt, diese Decke anzusehen! Wenn der Frühling kommt, werde ich Arbeiter bestellen und sie ein paar Räume im Erdgeschoß für mich umbauen lassen. Ihr beiden …«, setzte er hinzu und winkte Andrew, sich ihnen anzuschließen, »… könnt für euch und eure Frauen jede der großen Suiten oben haben.«
»Das ist großzügig, Schwiegervater«, bedankte sich Damon, doch der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Ganz und gar nicht. Kein Raum im oberen Stockwerk wird für mich je wieder den geringsten Nutzen haben. Ich schlage vor, daß ihr jetzt geht und euch die Zimmer aussucht. Laßt meine alten Räume für Domenic, wenn er sich eine Frau nimmt, aber unter allen anderen habt ihr die Wahl. Wenn ihr das gleich tut, können die Frauen in ihr eigenes Heim ziehen, sobald sie getraut sind.« Lachend setzte er hinzu: »Und während ihr das erledigt, soll Dezi mich hier unten umherfahren, damit ich mich wieder an den Anblick meines Hauses gewöhne. Habe ich dir dafür schon gedankt, Damon?«
Im oberen Geschoß suchten Damon und Andrew Leonie auf. Damon sagte: »Ich wollte dich außer Hörweite etwas fragen. So viel weiß ich, Dom Esteban wird niemals mehr gehen können. Aber wie ist sein Zustand sonst, Leonie?«
»Außer Hörweite?« Die Bewahrerin lachte leise. »Er hat Laran , Damon; er weiß alles, obwohl er sich vielleicht weise zu begreifen weigert, was es für ihn bedeutet. Die Fleischwunde ist natürlich lange verheilt, und die Nieren sind nicht verletzt, aber das Gehirn steht nicht mehr mit Beinen und Füßen in Verbindung. Er hat noch einigermaßen Kontrolle über seine Körperfunktionen, aber zweifellos wird er sie mit der Zeit, wenn der untere Teil seines Körpers dahinschwindet, verlieren. Die größte Gefahr besteht im Wundliegen. Du mußt dich vergewissern, daß seine Leibdiener ihn alle paar Stunden auf die andere Seite legen, denn da er kein Gefühl hat, empfindet er auch keinen Schmerz, und deshalb merkt er es nicht, wenn eine Falte in seiner Kleidung oder etwas der Art Druck auf seinen Körper ausübt. Die meisten Gelähmten sterben, wenn sich solche Wunden infizieren. Der Prozeß kann mit großer Sorgfalt aufgehalten werden, wenn man seine Glieder durch Massage geschmeidig hält, aber früher oder später werden die Muskeln schrumpfen und absterben.«
Damon schüttelte bekümmert den Kopf. »Das weiß er alles?«
»Er weiß es. Aber sein Lebenswille ist stark, und solange das so bleibt, kannst du dafür sorgen, daß sein Leben gut ist. Eine Zeit lang. Vielleicht für Jahre. Danach …« Ein leichtes, resigniertes Schulterzucken. »Vielleicht gewinnt er neuen Lebenswillen, wenn er Enkelkinder um sich hat. Nur ist er immer ein aktiver Mann gewesen, und ein stolzer Mann. Er wird sich mit Untätigkeit und Hilflosigkeit nicht leicht abfinden.«
Andrew sagte: »Ich werde seine Hilfe und seinen Rat dringend brauchen, wenn ich das Gut bewirtschaften soll. Ich habe versucht zurechtzukommen, ohne ihn zu belästigen –«
»Mit Eurer Erlaubnis, das ist falsch«, warf Leonie sanft ein. »Er muß die Versicherung haben, daß sein Wissen immer noch gebraucht wird, wenn auch seine Hände und sein Geschick nichts mehr nütze sind. Fragt ihn um Rat, sooft Ihr könnt, Andrew.«
Es war das erste Mal, daß sie ihn direkt anredete, und der Terraner sandte der Frau einen überraschten Blick zu. Er besaß genug telepathische Veranlagung, um zu erkennen, daß Leonie über ihn nicht glücklich war, und zu seinem Kummer spürte er, daß für sie jetzt eine neue Sorge dazukam. Als sie Leonie verlassen hatten, sagte er zu Damon: »Sie mag mich nicht, habe ich Recht?«
»Ich glaube nicht, daß man es so nennen kann«, antwortete Damon. »Sie würde bei jedem Mann, dem sie Callista zur Ehe geben muß, Unbehagen empfinden.«
»Nun, ich kann ihr nicht verübeln, daß sie denkt, ich sei nicht gut genug für Callista. Ich finde, das ist kein Mann. Aber solange Callista nicht diese Auffassung
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