Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Lederriemen aufzuknüpfen. Dezi hatte von neuem begonnen, zu stöhnen und zu kämpfen. Damon fühlte sich an ein Kaninchen in einer Schlinge erinnert, und das Mitleid zerriß ihm das Herz, obwohl das Entsetzen des Jungen jetzt durch den Dämpfer blockiert wurde. Dann hatte Damon den Beutel geöffnet. Der pulsierende blaue Stein, glühend von Dezis Entsetzen, fiel ihm in die Hand. Als er die Finger schloß, fühlte er den Knochen brechenden Krampf in sich selbst. Dezi fiel wie von einem heftigen Schlag getroffen. Angstvoll fragte sich Damon, ob er den Jungen getötet habe. Er stieß die Matrix in das Feld des Dämpfers und sah, wie sie sich zu einem schwachen Pulsieren in stetigem Rhythmus beruhigte. Dezi war bewußtlos. Sein Kopf hing nach einer Seite, Schaum stand auf seinen zerbissenen Lippen. Damon mußte sich hartmachen, indem er daran dachte, wie Andrew in tödlichem Schlaf im Schnee gelegen hatte und welche Qual es für Callista gewesen wäre, sich von Andrew verlassen zu glauben oder zu erkennen, daß sie durch Verrat zur Witwe geworden war. Endlich hatte Damon sich so weit gefaßt, daß er sagen konnte: »Das wäre geschafft.«
    Er schob die Matrix für ein paar Minuten unter den Dämpfer und sah sie verblassen. Ein ganz schwaches Pulsieren zeigte an, daß sie noch lebte, aber ihre Kraft war so gemindert, daß sie nicht mehr zur Verstärkung von Laran benutzt werden konnte.
    Damon warf einen mitleidigen Blick auf Dezi. Jetzt hatte er den Jungen geblendet. Dezi war schlimmer dran, als Damon es gewesen war, als man ihn von Arilinn fortschickte. Trotz Dezis Verbrechen konnte Damon nicht umhin, Kummer um diesen Jungen zu fühlen, der so begabt, ein so starker Telepath war, potentiell besser als viele, die jetzt in den Schirmen und Relais arbeiteten. Zandrus Hölle, dachte er, welch eine Verschwendung! Und er hatte ihn verkrüppelt.
    Er sagte müde: »Laß uns dies beenden, Andrew. Gib mir bitte den verschließbaren Kasten dort, ja?«
    Er hatte den Kasten von Dom Esteban erhalten, der irgendein kleines Schmuckstück daraus entfernt hatte. Als er die Matrix hineinlegte und den Deckel schloß, dachte er an das alte Märchen: Der Riese bewahrte sein Herz außerhalb seines Körpers an einem geheimen Ort auf, und so konnte er nicht getötet werden, bis seine Feinde das versteckte Herz gefunden hatten. Der Kasten hatte ein kleines Matrix-Schloß, und Damon betätigte es, indem er seine eigene Matrix dagegendrückte. Dabei gab er Andrew eine kurze Erklärung. »Wir können die Matrix nicht zerstören; Dezi würde mit ihr sterben. Aber sie liegt hier sicher hinter einem Matrix-Schloß, und nichts als meine eigene Matrix, die auf dies Muster abgestimmt ist, kann den Kasten jemals wieder öffnen.« Er brachte den Kasten in eins der Schrankzimmer, kehrte zurück und beugte sich über Dezi. Er prüfte die Atmung und den rasenden Herzschlag des Jungen.
    Dezi würde am Leben bleiben.
    Verstümmelt … geblendet … aber am Leben. Damon wäre an seiner Stelle lieber gestorben.
    Damon richtete sich auf und lauschte auf den nachlassenden Sturm draußen. Er zog seinen Dolch und zerschnitt die Stricke, die den Jungen fesselten. Freundlicher wäre es, ihm die Kehle durchzuschneiden, dachte er. Er würde nicht weiterleben wollen. War sein heftiger Kampf nur ein Versuch gewesen, Selbstmord zu begehen?
    Seufzend legte Damon eine Geldbörse neben den Jungen. Zu Andrew sagte er: » Dom Esteban hat sie mir für ihn gegeben. Wahrscheinlich wird er nach Thendara gehen, wo Domenic ihm einen Platz im Kadettenkorps versprochen hat. Dort kann er beim Dienst in der Stadtwache nicht viel Schaden anrichten und sich ein neues Leben aufbauen. Domenic wird sich um ihn kümmern – es gibt schließlich noch immer so etwas wie Familienloyalität. Dezi wird nicht einmal gestehen müssen, was mit ihm geschehen ist. Er wird schon durchkommen.«
    Das wiederholte er später, als er Ellemir berichtete, was er getan hatte. Andrew wachte währenddessen über der immer noch schlafenden Callista.
    »Ich hätte an seiner Stelle nicht weiterleben wollen. Als ich mit dem Dolch über ihm stand, um seine Fesseln durchzuschneiden, fragte ich mich, ob es nicht barmherziger wäre, wenn ich ihn tötete. Aber mir ist es gelungen, weiterzuleben, nachdem man mich aus Arilinn fortgeschickt hatte. Dezi soll diese Chance auch bekommen.« Er seufzte in Erinnerung an den Tag, als er Arilinn verlassen hatte, blind vor Schmerz, benommen durch das Zerreißen der Bande, die den

Weitere Kostenlose Bücher