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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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einmal sei Dank, sie hatte zu der Zeit in tiefem Betäubungsschlaf gelegen. Erfahren würde sie es – in einer Telepathen-Familie gab es keine Möglichkeit, solche Dinge geheim zu halten –, aber nicht gleich.
    Dom Esteban hörte sich die Geschichte bestürzt an. »Ich wußte, es war schlechtes Blut in dem Jungen«, sagte er. »Ich hätte ihn schon vor Jahren als meinen Sohn anerkannt, aber ich hatte nie das Gefühl, ich könne ihm voll vertrauen. Ich tat für ihn, was ich konnte, ich brachte ihn da unter, wo ich ein Auge auf ihn haben konnte. Doch irgendetwas schien mit ihm nicht zu stimmen.«
    Damon seufzte. Er wußte, der Ausbruch des alten Mannes beruhte hauptsächlich auf Schuldgefühlen. Gesichert, anerkannt, als ein Comyn -Sohn erzogen, hätte Dezi es nicht nötig gehabt, seine Unsicherheit mit Neid und eifersüchtiger Bosheit zu kompensieren, was letzten Endes zu einem Mordversuch geführt hatte. Wahrscheinlicher war es – taktvoll schirmte Damon den Gedanken vor dem alten Mann ab –, daß sein Schwiegervater einfach nicht bereit gewesen war, die Verantwortung für eine schmutzige Episode auf sich zu nehmen. Uneheliche Abstammung war kein Makel. Wenn eine Frau einen Comyn -Sohn gebar, war es für sie und das Kind eine Ehre, aber die häßlichste Beschimpfung, die es in der Casta -Sprache gab, hieß übersetzt »von sechs Vätern gezeugt«.
    Und selbst das hätte vermieden werden können, wie Damon wußte. Eine Überwachung des Mädchens während der Schwangerschaft hätte feststellen können, wessen Samen das Kind gezeugt hatte. Mit einem Gefühl, das der Verzweiflung sehr nahe kam, dachte Damon, daß an der Weise, wie Telepathen auf Darkover eingesetzt wurden, etwas ganz verkehrt war.
    Aber jetzt war es für alle diese Maßnahmen zu spät. Für das, was Dezi getan hatte, gab es nur eine Strafe. Damon wußte es, Dom Esteban wußte es, und Dezi, das sah Damon deutlich, wußte es auch. Später in dieser Nacht brachten sie ihn, an Händen und Füßen gefesselt und halb tot vor Angst, zu Damon. Sie hatten ihn im Stall gefunden, wo er sein Pferd sattelte. Er hatte hinaus in den Blizzard gewollt. Drei von Estebans Gardisten waren nötig gewesen, um ihn zu überwältigen.
    Nach Damons Meinung hätte man ihn fortreiten lassen sollen. Im Sturm hätte er den gleichen Tod gefunden, den er Andrew zugedacht hatte, einen unverstümmelten Tod, und das wäre Gerechtigkeit gewesen. Aber Damon war durch den gleichen Eid gebunden, den Dezi gebrochen hatte.
    Andrew sagte sich, daß auch er lieber im Blizzard umgekommen als dem glosenden Zorn entgegengetreten wäre, den er in Damon spürte. Er konnte sich des Mitleids mit Dezi nicht erwehren, als der Junge hereingebracht wurde, dünn und verängstigt und jünger aussehend, als er war. Er wirkte nicht viel älter als zehn, so daß die Stricke, die ihn banden, eine monströse Ungerechtigkeit und Folter zu sein schienen.
    Warum überließ Damon den Jungen nicht einfach ihm, fragte sich Andrew. Er würde ihn tüchtig verprügeln, und für einen Burschen seines Alters sollte das genug sein. Das sagte er Damon, aber der ältere Mann machte sich nicht einmal die Mühe, ihm zu antworten. Es gab auch nichts mehr darüber zu reden.
    Andrew würde andernfalls nie mehr sicher sein. Von einem Messer im Rücken bis zu einem mörderischen Gedanken konnte ihn alles treffen. Dezi war ein Alton, und ein mörderischer Gedanke vermochte zu töten. Er hätte schon beinahe Erfolg damit gehabt. Dezi war kein Kind. Dem Gesetz der Domänen nach konnte er sich duellieren, einen Sohn anerkennen und für ein Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.
    Jetzt sah Andrew mit Bangen auf den zitternden Dezi und auf Damon. Wie alle Männer, die schnell in kurzlebigen Zorn geraten, hatte Andrew keine Erfahrung mit dem zurückgehaltenen Groll oder der Wut, die sich nach innen kehrt und den zürnenden Mann ebenso auffrißt wie sein Opfer. Das war es, was er jetzt in Damon spürte, und er konnte eine trübrote Glut wie von einem Schmelzofen rings um ihn wahrnehmen. Das Gesicht des Comyn -Lords war bleich, seine Augen blickten ausdruckslos.
    »Dezi, ich wage kaum zu hoffen, daß du es mir und dir leicht machen wirst, aber ich will dir die Möglichkeit bieten, obwohl das mehr ist, als du verdienst. Willst du freiwillig daran mitarbeiten, unsere Schwingungen aufeinander abzustimmen, und mich deine Matrix ohne Widerstand nehmen lassen?«
    Dezi antwortete nicht. Aus seinen Augen flammte bitterer, trotziger Hass.

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