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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ihm?
    »Ich dachte mir, als Callista kam, daß du nicht weit hinter ihr sein würdest, Damon. Natürlich weiß ich im Allgemeinen, was du wünschst. Aber wie kann ich dir helfen?«
    »Das weißt du ebenso gut wie ich. Ich brauche nicht für mich Hilfe, sondern für Callista.«
    Leonie erklärte: »Sie hat versagt. Ich war bereit, sie freizugeben – sie hat ihre Chance gehabt –, aber jetzt erkennt sie, daß ihr einziger Platz hier ist. Sie muß zu uns nach Arilinn zurückkommen, Damon.«
    »Dazu ist es zu spät«, stellte Damon fest. »Ich glaube, eher würde sie sterben. Und sie ist nahe daran.« Er hörte seine eigene Stimme zittern. »Bedeutet das, daß du sie lieber tot sehen willst, bevor du sie freigibst, Leonie? Ist die Hand Arilinns die Hand des Todes?«
    Leonies Entsetzen war hier, wo Emotionen solide Wirklichkeit waren, wie eine sichtbare Wolke. »Damon, nein!« Ihre Stimme bebte. »Eine Bewahrerin wird freigegeben, weil sie ihre Nervenkanäle nicht mehr für die Psi-Arbeit freihalten kann, wie es eine Bewahrerin muß. Ich dachte, bei Callista sei das unmöglich, aber sie berichtete mir das Gegenteil, und daraufhin entband ich sie von ihrem Eid.«
    »Du wußtest, daß du es unmöglich gemacht hattest!« beschuldigte Damon sie.
    »Ich … war mir nicht sicher.« Leonies Kopfschütteln ließ ihren Schleier wehen. »Sie sagte mir … sie habe ihn berührt. Sie habe … Damon, was sollte ich denken? Aber jetzt weiß sie, daß es anders ist. In der Zeit, als ein Mädchen zur Bewahrerin ausgebildet wurde, bevor sie voll erwachsen war, hielt man es für selbstverständlich, daß ihre Wahl für ihr ganzes Leben getroffen war und daß es keine Rückkehr gab.«
    »Du wußtest es und hast trotzdem diese Wahl für Callista getroffen?«
    »Was sonst konnte ich tun, Damon? Wir müssen Bewahrerinnen haben, oder über unsere Welt bricht die Dunkelheit eines barbarischen Zeitalters herein. Ich tat, was ich tun mußte, und wenn Callista nur halbwegs gerecht gegen mich ist, muß sie einräumen, daß es mit ihrer Zustimmung geschah.« Und trotzdem vernahm Damon wie ein Echo in Leonies Gedanken den bitteren, verzweifelnden Aufschrei:
    Wie konnte ich zustimmen? Ich war zwölf Jahre alt!
    Damon sagte zornig: »Du willst also damit sagen, es sei hoffnungslos? Callista müsse entweder nach Arilinn zurückkehren oder aus Kummer sterben?«
    Leonies Stimme war unsicher; ihr Abbild in der grauen Welt schwankte. »Ich weiß, daß es einmal einen Weg gegeben hat, und der Weg war bekannt. Nichts aus der Vergangenheit kann völlig verborgen bleiben. In meiner Jugend kannte ich eine Frau, die auf diese Weise behandelt worden war, und sie sagte, es gebe einen Weg, die Fixierung der Kanäle aufzuheben. Sie verriet mir jedoch nicht, wie es zu machen sei, und sie ist mehr Jahre tot, als du lebst. In den Tagen, als die Türme wie Tempel und die Bewahrerinnen ihre Priesterinnen waren, kannte man die Methode überall. Ich habe wahrer gesprochen, als ich selbst wußte.« Plötzlich zog Leonie den Schleier von ihrem verwüsteten Gesicht zurück. »In jenen Tagen, Damon, hättest du deine wirkliche Berufung als Bewahrer gefunden. Du bist dreihundert Jahre zu spät geboren.«
    »Das nützt mir jetzt wenig, Verwandte.« Damon wandte sich von Leonies Gesicht ab, das vor ihm waberte und sich veränderte. Teils war es die Leonie, wie sie zu seiner Zeit im Turm gewesen war, als er sie liebte, teils die alternde Leonie von heute, wie er sie bei seiner Hochzeit erlebt hatte. Er wollte ihr Gesicht nicht sehen.
    »In den Tagen Rafaels II., als die Türme von Neskaya und Tramontana bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurden, starben alle Kreise mitsamt den Bewahrerinnen. Viele, viele der alten Techniken gingen damals verloren, und nicht alle sind rückerinnert oder wiederentdeckt worden.«
    »Und ich soll sie in den nächsten paar Tagen wiederentdecken? Du hast außerordentliches Vertrauen zu mir, Leonie!«
    »Ein Gedanke, der einmal von der Menschheit irgendwo im Universum erzeugt worden ist, kann nie ganz verlorengehen.«
    Damon rief ungeduldig aus: »Ich bin nicht hier, um eine philosophische Diskussion zu führen!«
    Leonie schüttelte den Kopf. »Das ist keine Philosophie, sondern eine Tatsache. Wenn irgendein Gedanke einmal den Stoff, aus dem das Universum gebildet ist, in Bewegung gesetzt hat, bleibt dieser Gedanke unzerstörbar bestehen und kann wieder gefunden werden. Es hat eine Zeit gegeben, als diese Dinge bekannt waren, und die Struktur der

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