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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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und grausam. Zunagûl!
    Finn stand mit klopfendem Herzen da wie einer, der ein verwirrendes Schauspiel sieht. Er verfolgte Circendils kaum mehr unterscheidbare Bewegungen, er sah die Gidrogs fallen und in ihrem eigenen Blute liegen und hörte das Brechen von Knochen. Und doch war ihm so, als beträfe ihn das nicht; als sei er ein Zuschauer, der auf eine Bühne blickte, auf der zwar abwegige Dinge geschahen, die jedoch mit ihm selbst nichts wirklich zu tun hatten. Und doch wusste er, dass dem nicht so wahr. Wieder fühlte er sich gelähmt. Nur war es diesmal eine Lähmung des Geistes; er war gefesselt von Entsetzen und unsäglicher Angst, geleimt wie eine hilflose Fliege. Er sah, was geschah. Und was geschah, schoss über seinen Verstand hinaus und ging weit über seine Kräfte. Er ließ sein Wacala fallen oder vielmehr, es entglitt seinen Fingern, und er spürte es nicht einmal.
    Wenn nicht ein Zauber geschieht wie in einem der alten Märchen, dachte Finn am Ende jeder Hoffnung, wenn nicht im nächsten Augenblick ein Zauber geschieht, werden die Gidrogs uns einfach zwischen sich zerquetschen. Dem drohend aufgerichteten, einsamen Schwert und den drei noch erhobenen, bebenden Wacalas zum Trotz.
    Bitte, lasst einen Zauber geschehen!, flehte Finn zu den namenlosen Sternen hinauf.
    Finn dachte plötzlich an Tallia und fragte sich, ob sie sich seiner wohl erinnern würde. Dann blickte er in die nur noch wenige Schritte entfernten Hauergesichter seiner Feinde und sah in ihren Augen einen heillosen Schrecken, ehe alles Licht erlosch.
    Es war merkwürdigerweise der Feind selbst, der in dieser Nacht ihr Schicksal wendete: ob aus Absicht oder Hohn, blieb unbeantwortet. Und wenn ein Zauber darin lag, so ging er nicht von den Sternen aus. Auch nicht von Aman, an den Circendil glaubte. Sondern von einem, der sich diesem ähnlich dünkte, ähnlich oder ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen: Älter und machtvoller war er als jeder Sterbliche, und für das Sinnen und Trachten der dem Tode Geweihten hatte er nur Verachtung übrig, wenn überhaupt; denn ihre Taten waren nutzlos, solange sie nicht einem einzigen Willen dienten, und dies war der Seine.
    Der Himmel, zur Hälfte sternenklar, zur anderen Seite von quellenden Wolken bedeckt, wurde übergangslos schwarz. Schwärzer als in einer bedeckten Neumondnacht.
    Dann fuhr ein blendender Blitz aus dem Nichts in die Erde.
    Wie eine Nadel aus gleißendem Licht stieß die blendende Lanze aus der Dunkelheit heraus, traf das Land und spaltete sich in unzählige Lichtfäden auf, die durch das Gras liefen und es zum Zittern brachten.
    Ein Krachen, lauter als Donnerschlag, kräftiger als der schlimmste Taná, der je im Hüggelland gehört worden war, quälte ihre Ohren und ließ sie beinahe taub werden; es fegte alles Rufen der Gidrogs fort und ertränkte es in nachbrandendem Poltern. Der Erdboden, auf dem sie standen, bebte, oder sie dachten zumindest, er täte es; denn alle, Freund wie Feind, wankten und schwankten.
    Die Luft knisterte. Es stank plötzlich nach Gas oder Schlimmerem.
    Als ein zweiter, ebenso heftiger Blitzschlag alle Farben aus ihrenAugen wischte, waberte grellweißes Licht etwa an der Stelle, an der Saisárasar gestanden hatte oder immer noch stand. Eiskalter Regen klatschte auf sie nieder, um schon nach wenigen Atemzügen wieder zu versiegen. Die Criargs lärmten und schlugen mit den Flügeln.
    Dann zerriss etwas den Schleier der Finsternis. Das Sternenlicht kehrte zurück. Aber es schimmerte nicht länger. Kalt und stechend blickten die Sterne auf Baum, Halm und Fluss herab.
    Jetzt konnten sie eine graue Gestalt sehen, die neben Saisárasar erschien .
    Von ihr ging etwas aus, das ein drohendes Funkeln war oder etwas, das selbst Saisárasar entsetzte. Er sank, nein, sackte auf die Knie nieder. Das Schwert entglitt ihm, und er ließ einen Laut hören, der wie ein Wimmern klang.
    Die Gestalt hielt ein Ding in der Hand.
    Ein blaues Glühen entstand darin. Es schmerzte, wenn man es länger als einen Augenblick betrachtete.
    Finn, der sich eben noch wie eine Fliege im Leim gefühlt hatte, gelähmt, gebunden, gefangen, aber noch nicht gebrochen, vermochte sich auch jetzt noch nicht zu bewegen. Zudem verlor er vollständig das Gefühl für seinen Körper. Das, was er erblickte, erfüllte ihn mit einer völlig unbegreiflichen, nicht mehr fassbaren Furcht. Er ahnte weder, was mit Mellow noch mit Circendil oder den übrigen Vahits war   – er stand nur da und zitterte, ohne indes

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