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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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die Wagen gespannt gewesen waren, lebten nur noch zwei. Erst jetzt, da sie von einem toten Tier zum anderen gingen, fiel Finn die Stille auf, in der sie sich bewegten. Das verzweifelte Wiehern, das sie ganz am Anfang vernommen hatten, war verstummt.
    Er ging mit Mellow am Ufer entlang bis ganz zum Mürmelkopf zurück.
    Dort kletterten sie die Böschung hinunter und fanden auch dieses Pony tot   – es zeigte tiefe Krallenspuren am Hals, und der Bauch war aufgerissen worden. Schlingen von Gedärm, herausgequollen aus dem Schnitt, schwammen im von Blut getrübten Wasser. Sein Kopf lag mit angstgeweiteten Augen dicht unter der Wasseroberfläche. Als hätte es in seiner Not und seinem Schmerz den eigenen Tod durch Ertrinken gesucht, dachte Finn erschüttert. Der reiterlose Criarg, der in der Nähe gelauert hatte, war verschwunden. Aber er hatte etliche Federn gelassen, an denen Blut und Erde klebte.
    Ein jäh aufkommender Windstoß fuhr in die Federn hinein und trieb sie vor sich her. Ein Tuch schlug irgendwo knatternd um sich. Es rauschte plötzlich in den Bäumen. Und so schnell das Rauschen gekommen war, so rasch erstarb es wieder. Die Stille kehrte zurück und legte sich lastender als zuvor auf die Nacht.
    Sie wendeten sich schaudernd ab und kehrten um.
    »Sind noch weitere Vahits unterwegs?«, hörten sie Circendil fragen, als sie zu den anderen traten.
    »Viele sind in Rudenforst geblieben«, antwortete Sahaso düster. Mellow erkannte seinen eigenen Bruder kaum wieder: Er war wie der Vater rußgeschwärzt und an so vielen Stellen zerschrammt und zerschunden, dass seine Kleidung ihm in Fetzen am Körper hing. Aber er besaß seine Haare noch. »Ich frage mich, ob wir nicht besser auch geblieben wären.«
    »Oder früher hätten gehen sollen«, meinte Kampo. Er blickte misstrauisch in den Himmel. Oben jagten dünne Wolken dahin und ihnen voraus, dorthin, wo Mechellinde lag. Wieder rauschte es in den Bäumen. Diesmal erstarb das kräftiger werdende Wehennicht. Sie drehten sich um und blickten in die Richtung, aus der der Wind blies. Eine pechschwarze Wolkenwand sammelte sich am westlichen Himmelsrand. Es sah aus wie allmählich vorrückende Berge.
    »Ich frage mich, weshalb Toman und Machan unter denen sind, die gingen«, sagte Finn. »Waren nicht sie die Wortführer derer, die bleiben wollten?«
    »Heute Morgen noch –   ja«, antwortete Rorig. »Um die Mittagszeit flohen auch sie. Auf der Mittelstraße waren sie die Schnellsten und überholten ein um’s andere die Gespanne, die vor ihnen gefahren waren. Sie trieben ihre Ponys bis zur Erschöpfung an, und genau das wurde uns allen zum Verhängnis. Sie hielten hier, um sie verschnaufen zu lassen. Andere, die kurz darauf kamen, hielten gleichfalls und taten es ihnen nach. Es gibt genügend Gras hier, und mancher schirrte aus, um die Tiere fressen zu lassen. Als die Criargs anflogen, fanden sie ein gemütliches Lager vor. Ein paar Frauen hatten Tee gekocht …«
    »Ein Lager? Ein gemütliches?«, entfuhr es Mellow. »Hattet ihr denn nicht begriffen, was die Glocke geschlagen hat?«
    »Uns trifft keine Schuld, Junge. Wir fuhren langsamer und kamen als Letzte an. Wir hatten nicht einmal vor anzuhalten. Und wir hätten es auch nicht getan, wenn nicht gerade da die Criargs gesichtet worden wären.«
    »An Flucht war nicht mehr zu denken«, sagte Sahaso.
    Kampo nickte zu der Wagenburg hin. »Glücklicherweise hörten ein paar der Lagernden auf uns und halfen, die Gefährte zusammenzuschieben. Es war fast zu spät. Dann ging es auch schon los. Im Getümmel gelang es allein Gandh durchzubrechen.«
    »Dank Kampos Hilfe«, fügte Sahaso hinzu. »Ich frage mich, ob er Mechellinde erreichte.«
    »Das hat er. Meinst du, wir wären sonst hier?« Mellow tippte sich an die Stirn.
    »Wenn es etwas gibt, das wir uns alle fragen sollten, dann, ob ihr kräftig genug seid, diesen Ort zu verlassen«, sagte Circendil.»Noch ist die Nacht nicht vorbei, und wir sind alles andere als in Sicherheit.«
    »Ja, lasst uns nach Mechellinde aufbrechen«, sagte Finn. »Ehe Regen kommt oder viel Schlimmeres. Ich sehne mich nach Mauern und Türen, die ich hinter mir zusperren kann. Die Wolken dort verheißen nichts Gutes. Hört nur das Heulen des Windes. Als läge ein Sturm in der Luft. Lasst uns die Tiere anspannen.«
    Zwei der Wagen waren noch fahrbereit. Sie zogen sie aus dem Deichselgewirr hervor. Im schimmernden Licht der Sterne schirrten sie die beiden überlebenden Ponys vor dem einen an; auf

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