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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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sich aus unzähligen Quellen, Rinnsalen und Bächen des Hochmoores speiste. Die vielen Gewässer sammelten sich nördlich der Häuser in einem von Mooreichen umgebenen Teich, dem Mürmelbruchsee, aus dem die Mürmel überquoll und ihrer baldigen Vereinigung mit der bedeutenderen Räuschel im Lammspringer See entgegenfloss.
    Weiter im Norden stieg das Gelände aus dem Bruch steil an und wurde zu einem ausgetrockneten Hochmoor: einsames Land, das sich bis an die Berge erstreckte, in dem außer allerlei Vögeln und streifenden Füchsen niemand wohnte. Dahinter erhoben sich die Berghänge des Khênaith Eciranth, des Halbmondgebirges, deren Schultern das gesamte Hüggelland in einem weiten Halbkreis von Nord über West bis Süd umschlossen. Ihre dräuenden, gezackten Gipfel trugen in der kalten Jahreszeit weiße Kappen, und Wölfe heulten fern in den zerklüfteten Höhen, auch wenn sie nicht mehr herabkamen, seitdem die Winter milder geworden waren.
    Auf dem Damm winkte ihm Konkho Zeisig zu, Abbados jüngerer Bruder. Konkho war der Wirt des Verlorenen Henkels , einer winzigen Gaststube, die den Namen Wirtshaus wahrlich nicht verdiente, denn sie war nicht mehr als ein notdürftiger Anbau, den er selbst gezimmert hatte. Aber da der Henkel die einzige Schenke war, die es in Moorreet gab, erfreute sich Konkho allgemeiner Beliebtheit, braute er doch auch ein sehr süffiges Bier. Auch war der Weg nach Mechellinde in den Rauschenden Adler zu weit, um eben einen oder zwei Humpen zu leeren. Und so kam es, dass so gut wie jeder Vahit aus Moorreet und Umgebung mehrmals die Woche im Henkel vorbeischaute.
    Nach einem »Guten Morgen« und gegenseitigem »Wohin-des-Weges?« lud Finn Konkho ein, zu ihm auf den Sitz zu klettern, denn, so stellte sich heraus, dass sie dieselbe Richtung hatten. Konkho verfrachtete einen sichtlich schweren, bedeckten Korb hinter sich auf den Wagen und stellte ihn zu den übrigen Packen, Kisten und Halbfässern für Banavred Borker.
    »Was hast du da?«, erkundigte sich Finn leichthin, obwohl es ihn nun wirklich nichts anging, was Konkho da mit sich schleppte.
    »Nur ein paar Sachen für Abhro Rabner.«
    Als der Wagen anruckte, klirrte es leise im Korb. Finn musste lachen und konnte sich sein Teil denken. »Sag es nicht: Du hast Bier und Holunderbrand unter deiner Decke.«
    »Ich sag es auch nicht«, grinste der Wirt zurück. Er musste ein gutes Geschäft mit dem Schmied eingegangen sein   – Schnaps und Bier gegen die Fertigung von Lampen, Werkzeugen oder Schlössern. Tauschhandel war im Hüggelland immer noch gang und gäbe, obwohl es seit mehreren hundert Jahren den Heller gab, die Münzwährung der Vahits, die ihren Namen von der Hel hatte, der Großen Halle in Vahindema.
    »Wie geht es Fradha?« Finn erinnerte sich an das hellblaue Kleid, das sie auf seinem Geburtstagsfest getragen hatte. »Richte ihr bitte Grüße von mir aus«, sagte er. »Ich habe sie seit Wochen nicht mehr gesehen. Ihr geht es doch gut, hoffe ich?«
    Der Wirt kratzte sich hinter dem Ohr. »Wie man’s halt nimmt«, meinte er. »Mit dem Kind, das sie erwartet, ist alles in Ordnung,denke ich. Ihr macht was anderes Sorgen. Ihre Schwester Giunda soll großen Kummer haben.«
    »Das tut mir leid. Was ist denn geschehen?«
    Der Wirt hob die Schultern und ließ sie seufzend wieder fallen. »Wenn man’s nur genauer wüsste. Kuaslom Pfuhlig berichtete es am Freitag, als er mit der Post durch war und auf ein Holunderbrändchen hereinschaute. Stell dir nur vor: Beide Kinder hat sie scheint’s im Wald verloren. Einfach so, wusch und weg! Werden sich verlaufen haben, sag ich noch leichthin, Kinder machen halt Dummheiten. Doch Kuaslom meinte, er wüsste nichts Genaueres nicht, aber ans Verlaufen glaubt dort niemand mehr.«
    »Mit dort meinst du …?«
    »In Rudenforst. Ist bestimmt bei der Waldarbeit geschehen, nehme ich an. Alle haben die Hände voll zu tun, die Kinder spielen und niemand achtet auf sie, denk ich mir. Fradha hat vor Schreck einen Krug fallen lassen, als sie’s hörte, und sie rang die Hände. Aber mehr wollte Kuaslom nicht sagen. Na, du weißt ja, wie Frauen sind. Jetzt hab ich ein quengelndes Weib zuhaus’ und hör nur noch was von armen Bälgern. Hätt er doch nur den Mund gehalten. Jetzt ist’s zu spät dafür. Und ich? Ich soll, sagt sie, gefälligst nach Rudenforst reisen, um Guindas Kinder zu suchen. Dummes Zeug, hab ich gesagt. Wohnen genug Vahits da, die ihren Wald in- und auswendig kennen. Was soll ich da
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