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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition)
Autoren: Robert M. Talmar
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ahnen ließ.
    Smod trabte fröhlich voran, die sandfarbene Mähne tanzte im Takt der Hufe. Als Finn die Hammerschläge nicht mehr hören konnte, traten die Bäume zurück, und Finn sah die Dächer von Mechellinde drei oder vier Meilen voraus in der frühen Mittagsstunde flirren. Dünne Rauchfähnchen stiegen von den Kaminen auf.
    Goldgelbe Stoppelfelder breiteten sich jetzt bald beiderseits der Straße aus, über denen sich Krähen zankten und Habichte und Bussarde nach Mäusen spähten. Ein Buckel schob sich in den Weg, den die Straße umrundete. Dahinter kam Finn an einen Weiher, an dem sich eine Schar Gänse zankte, die ihren Streit prompt vergaßen, als Smod durch einen Pfütze trabte und sie mit federgetränktem Wasser bespritzte.
    Hinter dem Teich und dem ersterbenden Geschnatter erklomm die Straße einen aufgeschütteten Damm. Beiderseits davon und noch vor dem eigentlichen Dorf begannen hier schmale Gärten, in denen die Mechellinder Gemüse, Obst, Sonnenblumen und Kräuter zogen. Die Gärten umgaben den verfilzten Dorfheckenzaun wie einen Gürtel. Einige ältere Vahitfrauen, die helle Kopftücher zum Schutz vor der Sonne trugen, harkten darin oder bückten sich, um Unkraut zu zupfen, das nach dem letzten Regen allenthalben sprießte.
    Er winkte ihnen zu, erreichte das Tor und ratterte nach Mechellinde hinein.

3 . KAPITEL
    Landhüter und Postler
    D IE V AHITS HATTEN DAS Hüggelland in sieben annähernd gleich große Gaue unterteilt: den Obergau nördlich der Räuschel; den Tiefengau zwischen Ober- und Untergau am Sturz gelegen, den Mittelgau westlich der Mittelstraße; den Vordergau um den Oberlaichsee herum; den Hintergau mit Vahindema, dem Haupt- und Verwaltungssitz der Vahitgesellschaft; den Hohengau im Nordwesten mit seinen Nadelwäldern; und südlich des Sturzbaches den Untergau mit seinen windgeschützten Winterweiden.
    Mechellinde war der größte Ort des Obergaus und galt als die älteste Vahitsiedlung überhaupt, seitdem das Volk vor fast siebenhundert Jahren den Tennlén Alam, den Alten Weg, heraufgezogen war. Ein Khênbrada, ein Großdorf nannten sie es, ein durchaus berechtigter Name.
    Mechellinde war um vieles größer als Moorreet oder Lammspring, Rudenforst oder gar Räuschelfurt. An die fünfhundert Vahits lebten hier; die Buoggin wegen der Bücherey vor allem natürlich, daneben Kauf- und Fuhrleute, Handwerkerfamilien, Weiher, Klärer, Lenker, Postler und Landhüter. Nur noch zwei weitere, ähnlich große Dörfer gab es, und die lagen einige gute Tagesreisen entfernt: die Hauptorte des Untergaus und des Hintergaus, Sturzbach am Sturz und Vahindema. In allen drei Orten befanden sich in der Mitte Büchereyen, um deren Erhalt und Betrieb sich vieles im Leben der Vahits drehte.
    Die wichtigste Einrichtung Mechellindes bestand daher in der von einer eigenen Mauer umgebenen Ansammlung der Buogga-Häuser   – der Bücherey. Eigentlich war das gesamte Dorf überhaupterst nach und nach und um sie herum entstanden. Die hohe Mauer umfasste die innen liegenden Häuser zum Schutz vor Feuer. Zum Marktplatz hin wurde sie von einem doppelflügeligen Tor durchbrochen, das sich durch wahrlich beeindruckendes Schnitzwerk auszeichnete   – zwei in allen Einzelheiten ausgeführte, gekreuzte Federn, das ehrwürdige Wappen der Buoggin.
    Das unmittelbare Nachbargebäude der Bücherey und fast so alt wie diese selbst war das wegen seines vorzüglichen Bieres weithin berühmte Gasthaus Zum Rauschenden Adler . Angeblich verdankte es seinen Namen einem Áar, der   – vor mehr als hundertfünfzig Jahren   – eines Tages über Mechellinde erschienen war. Einen Sommer lang hatte er, so ging die Mär, über dem Dorfplatz aus unerfindlichen Gründen seine Kreise gezogen.
    Beide, die Bücherey und das Gasthaus, säumten die Westseite des Marktes. An seiner Ostseite drängten sich mehrere Geschäfte dicht an dicht: ein Krämer, ein Kräuterkundler, ein Goldschmied, ein Schuster, ein Wagner und ein Mietstall. Das Postlerhaus stand gleich nebenan. Den Abschluss machte, unweit der niedrigen hölzernen Mürmelbrücke und von flatternden Fahnen umgeben, Finns Ziel an diesem Vormittag   – das Landhüterhaus. Es gehörte der neueren Bauart an, die sich allmählich auch im Obergau durchsetzte: Es war von rechteckiger Form und aus Fachwerk errichtet.
    Finn sprang vom Kutschbock, tätschelte Smods Mähne und stieg die Stufen hinauf zur Tür. Vom nahen Brunnen aus folgten ihm dutzende Augenpaare: Junge Mädchen kicherten
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