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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Versäumnis aufzuholen. Er sprang über Wurzeln, Äste und abgebrochene oder umgeknickte Zweige. Beinahe wäre er an einem plötzlich auftauchenden Bachufer ausgerutscht, setzte über das schmale Bett hinweg und hastete weiter. Drüben ging es zu seiner Überraschung leichter. Die um vieles breitere und größere Gestalt des haarigen Biestes hatte Finn, ohne es zu wollen, den Weg geebnet. Der Gidrog hatte dabei seinerseits Zeit verloren, glaubte Finn oder hoffte es zumindest, denn das Unterholz war stellenweise verfilzt und so dicht wie eine Mauer.
    Er muss sich mit aller Kraft durchgewalzt haben, dachte er. Wie ein schwerbeladener Karren.
    Viele Zweige waren bis auf die Erde niedergedrückt. Auf ihnen lief er weitaus schneller dahin, als sie der Gidrog hatte plattwalzen können; zumal der noch Tallia mit sich schleppte, aus welchem Grund auch immer.
    Sie darf nicht wie Anselma enden! Er wiederholte diesen Gedanken immer wieder, verfiel ihm im Takt seiner Schritte: Sie   – darf nicht   – wie   – Anselma   – enden! …
    Im offenen Gelände hätte Finn für jeden Schritt des Fliehenden drei oder vier der seinigen setzen müssen. Dennoch wäre ihm der Gidrog mit Leichtigkeit entkommen. Nur zu gut erinnerte er sich an die gestrige Nacht und den davonhastenden Criargreiter an dem brennenden Broch. Er selbst hatte in der Armbeuge des Gidrogs gesteckt und wusste, über welche Kräfte diese Wesen verfügten. Und wie schnell sie rennen konnten. Jetzt aber, da das haarige Biest durch das Strauchwerk behindert wurde und nur mühsam vorwärts kam, glichen sich ihre wechselseitigen Nachteile möglicherweise aus, da Finn nur in der breiten Spur zu laufen brauchte.
    Und das tat er. Finn spurtete, wo immer er konnte. Er schlüpftehier geschwind durch Lücken, durch die sich der breite Gidrog hatte drängen und zwängen müssen, setzte dort über Farne und Dickichte von Tafelblattstauden.
    An manchen hellen Bruchstellen entdeckte Finn im Vorüberhasten verschmiertes Blut.
    Er hoffte innigst, dass Tallia nicht allzu schwer verletzt war. Ein beinahe ohnmächtiger Zorn erfüllte ihn und trieb ihn an, während er immer weiter nach Westen lief. Der Fluss war irgendwo zu seiner Rechten, und die Mürmelstraße verlief unsichtbar zu seiner linken Hand. Er wusste, er konnte sich nicht allzu weit entfernt von beiden befinden, denn der Wald war nur klein, durchmaß kaum zwei Meilen. Dann und wann blieb er stehen und lauschte, ob er die fliehenden Schritte des Gidrogs oder knackendes Holz im Zwielicht des Waldes zu hören vermochte, aber sein eigener Atem flog nur so, und das Blut hämmerte in seinen Schläfen. Wenn es etwas zu hören gab, so vernahm er es nicht. Also weiter.
    Bald wurde das Gestrüpp lichter. Mit einem Mal lief er nicht mehr zwischen dichtstehenden Stämmen dahin. Die Fichten und Ulmen standen weiter auseinander als zuvor, dazu gesellten sich jetzt gedrungene Weiden, und verfaulte Stämme von umgeknickten Erlen staken aus einem immer nachgiebigeren Untergrund hervor.
    Der Waldboden wurde feuchter, und Finn glaubte, zwischen den Ästen das Glitzern von Wasser zu sehen. Ob es schon der Fluss war oder einsame modrige Stellen   – Farne und Riedgräser und morsche Baumstämme gemahnten Finn zur Vorsicht. Das hiesige Mürmelufer besaß einen breiten, sumpfigen Rand.
    Auch der Gidrog hatte genug Verstand besessen, sich nicht geradenwegs in irgendwelche Moraste zu verrennen. Die schwere Spur des Fliehenden war immer noch deutlich zu erkennen. Sie zog sich wie ein Strich um kleine Tümpel herum, ehe sie westlich durch ganze Felder von Schneeballsträuchern führte. Finn sah kleine Wasserlachen in den Fußabdrücken entstehen, und die tiefsten davon füllten sich schnell; er wandte sich vorsichtshalber noch weiter nach links und folgte der Spur langsamer.
    Dann stieg das Gelände wieder an; nicht viel, aber genug, um fast trockenen Boden zu bieten. Ein schmaler Hügel schob sich Finn in den Weg; baumlos und glatt war er; und zwischen den überall verstreuten Herbstblättern trat seine Erde dunkel hervor wie eine zu lang im Ofen gehaltene Kruste; auf Finn wirkte die Anhöhe im umliegenden Auwald tatsächlich wie der halb eingesunkene Brotlaib eines Wrisilrhiobs.
    Oben auf dem »Laib« hielt Finn kurz an, um zu verschnaufen. Während er sich umschaute, meinte Finn, den breiten Rücken des Gidrogs kurz hinter einer Ansammlung von Krüppelfichten zu erkennen. Als er die Stelle selbst erreichte, sah er, dass er sich nicht

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