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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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auf einer Reihe von abgeknickten Hartriegelsträuchern ruhend. Es sah aus, als wäre es aus dem Himmel herabgefallen, hätte dabei die Sträucher gestreift und sich hernach im Boden festgerammt   – was, wie Finn völlig klar war, natürlich unmöglich geschehen sein konnte. Tatsächlich aber sah Finn aufgerissene Erde und einen hüfthohen dunklen Wall dort, wo sich das Ding in die Binsen gedrückt hatte. Und zerknickte und zersplitterte Äste unter dem aufragenden Teil. Eines der Hartriegelgewächse unter dem Ding war vollständig umgefallen und bis auf die Wurzeln aus dem Boden gerissen worden.
    Wenn es sich um ein Boot handelte, überlegte er, so ergab seine Größe erst recht keinen Sinn. Jedenfalls nicht für ein Flüsschen wie die Mürmel. Das Boot wäre hüben wie drüben ständig ans Ufer getrieben worden, und wo das nicht, hätte sein großer Tiefgang an jeder flacheren Stelle den Grund berührt und jede Weiterfahrt unmöglich gemacht. Schon aus diesem Grund waren die Fischernachen der Vahits in Mechellinde allesamt flache Prahme, die, selten gesegelt und meist gestakt, leicht über Kies- und Sandbänke hinwegglitten oder bei voller Ladung von mehreren geschoben werden konnten, was häufig genug nötig war. Im Sommer gab es zwischen dem Mürmelkopf und Mechellinde manchmal Uferstriche, an denen bei flachem Wasserstand die Fischer ihre Prahme sogar mit Ponys flussaufwärts treidelten.
    Die geschwärzten Flecken dieses Bootes, wenn es denn eines war, sahen wie Brandspuren aus. Auch einige Kisten wiesen sie an ihren Kanten auf. Manche Stellen waren nur rußgeschwärzt, andere waren völlig verkohlt und hatten den matten Glanz erkalteter Holzscheite angenommen: ein Zeichen, dass dort große Hitze geherrscht hatte.
    »Das ist seltsam, oder ich habe noch nie etwas Seltsames gesehen«, flüsterte Finn.
    Aber das Boot schien dem Fremden zu gehören, denn der Rothaarige wankte schwerfällig darauf zu. Er setzte seine Last ins Gras und prüfte, ob Tallia noch lebte; jedenfalls sah es für Finn danach aus.
    »Noch mehr Rätsel«, murmelte er, als er erkannte, wie vorsichtig der Fremde mit Tallia umging, als wäre er bemüht, ihr kein Leid zuzufügen. Was vollständig verwirrend war, denn eben das hatte er doch getan, indem er sie entführte. Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und richtete sich schwerfällig auf. In diesem Moment sah Finn zum ersten Mal bewusst die silbrig glänzende und breitschneidige Axt, die der Fremde auf dem Rücken trug; und das war gewisslich keines der axtähnlichen Keildornschwerter, die alle Gidrogs bei sich führten.
    Dann bemerkte Finn eine lange, wellenförmige Bewegung.
    Erst dachte er, die Uferwiese hinter dem Boot selber habe sich gerührt, als wolle ein Erdbuckel sich erheben. Ein weiterer unsinniger Gedanke, aber eben danach sah es aus. Dann erkannte Finn, dass dort eine graue Plane oder ein Segel über den Gräsern lag und sich im Wind bewegte. Aber es war wiederum viel zu groß für ein Segel, verglichen mit den Viereckssegeln, die von den Fischern aufdem Lammspringer See gesetzt wurden, wenn die Winde günstig standen. Selbst unter der Annahme, ein großes Boot benötige auch ein großes Segel, war dieses Stück Tuch zu gewaltig: Es bedeckte wenigstens eine Fläche, die ausgereicht hätte, den Innengarten der Bücherey zu überdachen.
    Als Finn näher heranschlich, sah er verstreut herumliegende Ladung, die das Boot offensichtlich verloren hatte. Aber die teils verpackten, teils offenen Kisten und Kästen lagen viel weiter fort, als selbst ein kräftiger Gidrog sie hätte werfen können; und einen Sturm, der die Kraft besessen hätte, die Dinge so weit zu verteilen, hatte es in den vergangenen Tagen nicht gegeben.
    Und es gesellte sich ihm noch ein weiteres Rätsel zu den bisherigen dazu: Das Boot besaß trotz vorhandenen Segels keinen Mast, sondern nur eine Art Aufbau mit einem sich nach oben verjüngendem Rohr, breit wie zwei Bholobhorgs und etwa ebenso hoch. Es erinnerte Finn von der Form her an Abhros Schlot, nur dass diese Vorrichtung aus Metall zu bestehen schien und keinesfalls gemauert war. Es ragte etwa dort heraus, wo sich die Mitte des Bootes befand; und als Finn den Kopf schräg legte und sich vorstellte, das Boot läge auf seinem Kiel, da sah er, dass das Rohr dann genau himmelwärts zeigen würde.
    Eine Unmenge von Seilen und dünnen Ketten baumelte kraftlos herab und bildete ein heilloses Durcheinander zwischen dem Boot und dem Segel   – das

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