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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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noch vorhin erzählt, habe die Sache in die Hand genommen.
    Da stand er.

4 . KAPITEL
    In der »Krummen Kiefer«
    F INN ERKANNTE DAS SCHMALE, rosige und jungenhafte Gesicht unter dem Landhüterhut sofort: Mellow Rohrsang, mit dem er vor vielen Jahren die Schulbank in der Bücherey gedrückt hatte. In der Zeit war eine enge Freundschaft entstanden; sie standen beinahe im gleichen Alter und hatten in späteren Jahren, an so manch denkwürdigem Feiertag in ihrer Tubertel, den einen oder anderen Becher miteinander gestürzt.
    Im letzten Winter hatte Mellow seine Volljährigkeit gefeiert; tags darauf war er begeistert zu den Landhütern eingerückt. Seitdem hatten sie sich kaum noch gesehen, nicht einmal zu Finns eigenem Geburtstagsfest. Umso größer war nun seine Freude über das unverhoffte Wiedersehen.
    Finn sprang vom Wagen und schlug in Mellows ausgestreckte Rechte ein. Kuaslom Pfuhlig kletterte umständlich hinterher und reichte ihm ebenfalls die Hand. »Ich muss sagen, ich bin überaus froh, dich zu sehen   – dich persönlich und in deiner Eigenschaft als Landhüter. Wir müssen nachher dringend reden, über ein paar Dinge, die hier und andernorts ganz und gar nicht stimmen.«
    Mellow verzog kurz das Gesicht, als habe er schon genug schlechte Nachrichten erhalten für einen Tag. »Oh nein, nicht du auch noch! Wo sind die Tage geblieben, als es noch üblich war, darüber zu reden, was alles gut und richtig ist?« Er unterbrach sich und lächelte müde. »Verzeih mir. Ich bin erschöpft von zu viel Grübeln und einem weiteren Tag der unergiebigen Suche. Guten Abend, Kuaslom. Selbstverständlich werden wir reden. Du klingst besorgt. Etwas Ernstes, vermute ich …«
    »Das ist es. Ich habe …«
    Mellow hob die Hand. »Lass mich raten. Warte   – wenn ich mich nicht sehr irre, so hattest du Verdruss mit meinen Mechellinder Kameraden. Und nicht nur das. Du fragst dich auch, ob Odians Salbe wohl wirkt.«
    Kuaslom öffnete den Mund und vergaß glatt, ihn wieder zuzuklappen. Er fuhr zurück. »Was? Woher …?« Der Postbote blickte hilflos zu Finn, der nur mit den Schultern zuckte. »Bist du unter die Hellseher gegangen?«, brachte Kuaslom schließlich hervor.
    »Wenn ich bloß hellsehen könnte! Es hätte uns viel Mühsal und Sorgen erspart. Nein, das mit dem Verdruss und der Salbe liegt einfach auf der Hand.« Mellow nickte, als habe sich für ihn ein Fenster eröffnet, durch das er ungehindert schauen konnte. Er räusperte sich und zählte an den Fingern ab:
    »Erstens: Du kommst mit Finn gefahren, was mehr als ungewöhnlich ist. Zweitens: Dein üblicher Postweg führt dich jeden Mittwochabend hierher. Heute ist erst Dienstag   – das bedeutet, du bist einen Tag zu früh. Drittens: Dafür muss es einen Grund geben, denn du bist im Obergau für deine Pünktlichkeit bekannt. Viertens: Du hältst dich so, als ob dir deine linke Schulter Beschwerden macht, vielleicht weil eine Last auf ihr geruht hat. Dein Hals ist zur linken Schulter hin gerötet, womöglich durch derbes Leinen, das an deiner Haut scheuerte. Ich vermute daher, du hast bis zur Begegnung mit Finn deinen Postsack selbst getragen. Deine Stiefel sind um vieles staubiger als die Finns, also bist du ein ziemliches Stück zu Fuß gegangen, wenigstens vier oder fünf Meilen weit, wohingegen er gefahren ist.
    Fünftens: Die helle Farbe des Staubes sagt mir, wo und wann ihr euch getroffen habt   – eure Begegnung hat am frühen Nachmittag irgendwo zwischen Mechellinde und dem Mürmelkopf stattgefunden. Das Erdreich längs der Straße nach Moorreet ist dunkler, also hat er dich nicht von dort aus mitgenommen. Demnach warst du beritten in Moorreet und von dort schon zurück, ehe ihr euch getroffen habt.
    Sechstens: Du und deine treue Truda, ihr seid nicht auseinanderzudenken. Da sie aber nicht an Finns Wagen angebunden ist, muss etwas mit ihr geschehen sein. Du bist besorgt, aber nicht todtraurig; also ist sie verletzt, doch nicht lebensgefährlich. Wahrscheinlich hat sie sich einen Huf gestoßen oder Ähnliches, sodass sie nicht mehr gehen kann. Bis Mechellinde aber hat sie es geschafft.
    Siebentens: Daher vermute ich, sie steht im Stall des Postlerhauses, in dem Odian Wachtel seinen Dienst versieht. Ich kenne ihn und seine Schrullen. Er wird dir seine Gelenksalbe förmlich aufgedrängt haben.
    Achtens: Da du einen vollen Tag zu früh bist, kam   – bei deiner Pünktlichkeit   – Finns Anerbieten, dich mitzunehmen, gänzlich unerwartet. Also hat er dich

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