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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Zwischen ihnen sind wir weniger sichtbar als auf freiem Feld.«
    »Aber was ist mit Circendil?« Mellow blickte sich um, als könne er den Medhir so entdecken.
    »Weißt du, wo er ist? Ich nicht. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Wie sollen wir ihm da helfen?«
    »Und wenn er in Gefangenschaft geraten ist?«
    »Sah das für dich eben danach aus, als ob sie noch Gefangene machen wollten?«, fragte Finn zurück.
    »Nein«, gab Mellow zu. »Sie waren aufs Töten aus. Vor allem, nachdem sie feststellen mussten, dass auch sie bluten, wenn man sie ritzt. Trotzdem. Wenn ich wüsste, wo er ist, dann …«
    Finn schüttelte stürmisch den Kopf. »Soll ich erst einen Gidrog für dich fragen? Mellow, so schwer es dir auch fällt, ihn aufzugeben: Es ist zugleich ein unfassbares Wunder, dass wir hier stehen und uns streiten können. Wir können nichts für ihn tun. Nicht jetzt zumindest. Wir müssen zuvorderst uns selbst aus dem Schlamassel ziehen. Und zwar schnell. Darum komm, oder es war alles umsonst.«
    Mellow nickte widerstrebend. »Du hast ja Recht. Also laufen wir. Aber leise. Passt auf eure Füße auf. Hier lauern überall Gräben und Hasenlöcher.«
    Sie huschten aus dem Schutz der Baumgruppe und eilten, so rasch es die Dunkelheit gestattete, querfeldein über eine Wiese, in der Frösche quakten und vereinzelte Grillen zirpten. Mellow behielt Recht; schon bald sprangen sie über Bodenrillen und noch tiefere Gräben hinweg, und vereinzelte Bäume streckten ihnen knorrige Wurzeln entgegen, über die sie trotz aller Achtsamkeit stolperten.
    »Wie gut können die Criargs wohl wittern?«, fragte Finn nach etwa fünf Minuten, als sie einen grauen, grasbestandenen Damm erklommen hatten, der plötzlich vor ihnen aufgetaucht war und sich zu beiden Seiten in der Nacht verlor   – eine Verwerfung im Boden, deren wallabgewandte Seite in völliger Schwärze lag. Finn dachte besorgt an den einen der Wächter am Torweg, der eindeutig gewittert hatte. Er befeuchtete einen Finger und hielt ihn hoch.
    »Na bitte«, sagte er. »Da haben wir den Salat, wie Abbado sagen würde. Wir gehen nach Süden, und der Wind kommt genau aus dieser Richtung. Wenn sie Nasen wie Hunde haben, finden sie uns schneller, als wir den Rudenforst erreichen können.«
    Mellow schnupperte seinerseits und zuckte schließlich mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass sie Nasen wie Hunde haben«, antwortete er. »Aber ich fürchte umso mehr die Blicke ihrer Vögel. Der Criarg, der sich Circendil schnappte, flog in beinahe vollständiger Finsternis. Ich denke, sie haben Augen wie Adler, oder noch schärfere; und sie vermögen in der Dunkelheit zu sehen wie wir am Tage. Inwieweit ihre Reiter es ihnen gleichtun, weiß ich nicht zu sagen. Doch sieh: Das Land beginnt sich rechts rüber zu heben. Dorthin müssen wir uns halten. Weiter nach links dürfen wir nicht, und schon gar nicht des Nachts. Wir würden der Kante des Sturzes gefährlich nahe kommen. Und geradeaus gelangen wir in kaum weniger übles Gebiet. Das Land östlich des Rudenforstes ist vollertiefer Risse und tückischer Schründe. Dort gibt es abgestorbene Bäume und tote Sträucher, über die und zwischen denen kaum ein Fortkommen ist. Nach Südwesten also, in die Hügel hinein.«
    Eine Stunde später wagten sie zum ersten Mal zu hoffen, ihren Verfolgern entkommen zu sein. Sie legten eine Pause ein, eng an einen Hügel gepresst, über dessen Kuppe sie spähten. Wilde Brombeeren wuchsen an seiner windabgewandten Seite und gewährten den hinter diesen kauernden Vahits Sichtschutz. Finn hatte Seitenstiche und rieb sich die Rippen. Mellow war eindeutig in besserer Form als er; ihm schienen die Lauferei und der Schlafmangel nichts auszumachen. Falls doch, so schwieg er darüber. Noch immer hielt er das Schwert geschultert: Es war so lang wie Mellow ohne Hut und als Waffe für einen Vahit denkbar ungeeignet.
    »Warum schleppst du eigentlich das schwere Ding da mit dir herum?«, wollte Finn wissen, als Mellow seine Last endlich neben sich ins Gras plumpsen ließ.
    »Ich glaube nicht, dass er tot ist«, erwiderte Mellow dumpf. »Und wenn er lebt, dann braucht er es. Als ich es fallen sah, gab es nur eins: Ich musste es für ihn retten.«
    »Ich werde trotzdem nicht schlau daraus«, sagte Finn. »Ob nun retten oder hin oder her: Du bist da oben auf dem Wall den Gidrogs und damit dem sicheren Tod entgegengerannt. War das Wahnsinn oder nur simple Unvernunft?«
    »Weder noch, mein Alter. Und ganz so sicher, wie

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