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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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und Getrampel, und dann einen erstickten Laut. Ein schwerer Körper plumpste wie ein Sack auf harten Stein. Was immer dort oben geschehen war: Etwas hatte ihre Verfolgung ins Stocken gebracht. Jedenfalls kam keiner der Bilwissgesichtigen hinter ihnen die Treppe herunter; vielleicht hatten die Gidrogs Finns Flucht die Stufen hinab auch nicht bemerkt.
    Finn drückte sich eng an die Wand und tastete sich noch langsamer abwärts, bemüht, nur kein Geräusch mehr zu verursachen. »Wir müssen leise sein, Gatabaid«, wisperte er immer wieder, die Lippen dicht an ihrem unverletzten Ohr. »Wir dürfen nicht einmal weinen, hörst du?« Das Mädchen unterdrückte mit einer inneren Kraft, die er nur bewundern konnte, jeden Laut. Finn fühlte sie nicken, und er tätschelte beruhigend ihre tränennassen Haare. Fuß um Fuß setzte er seine Schritte in die Dunkelheit hinein.
    Etwas schabte leise und metallisch über ihnen, als Finn abermals zwanzig oder mehr Stufen genommen hatte. Erschrocken fuhr er herum. Doch es war zu seiner grenzenlosen Erleichterung Mellow, der aus dem Schatten auftauchte, das vahitlange blanke Schwert Circendils auf der Schulter schleppend. Er war mit dessen Spitze an die Wallwand geraten. Sie verharrten bewegungslos und lauschten. Aber wenn sie Glück im Unglück erhielten, dann in diesem Augenblick. Denn niemand kam herbeigerannt, weder von unten herauf noch von oben herab.
    Sie waren jetzt fast auf halber Höhe. Unter sich konnten sie den Treppenabsatz nur ahnen; aber ein Stück weiter waren die Lichtverhältnisse besser.
    Das Wachtfeuer loderte etwa hundertzwanzig Klafter von ihnenentfernt vor den beiden Tortürmen, und deutlich höher als vorher schlugen die Flammen in die Nacht. Sie konnten es über den Rücken der ersten Rampe hinweg deutlich erkennen: wenigstens zehn Gidrogs umstanden mit blanken Waffen das Feuer. Noch schien niemand genau zu wissen, was eigentlich vorgefallen war. Stimmen überboten einander, und Fackeln wurden jetzt bündelweise am Feuer entzündet; aber Finn sah keinen schwarzen Mantel. Zwei weitere Gidrogs kamen die Straße von der Festung herauf und führten Criargs am Zügel. Von Circendil sahen und hörten sie nichts.
    Die Vahits erreichten den Absatz der Treppe.
    Als sie den zweiten Teil betreten und ein halbes Dutzend Stufen hinter sich gebracht hatten, hörten sie über sich schwere und eilige Schritte.
    »Sie kommen«, hauchte Finn.
    »Schneller«, flüsterte Mellow. »So schnell du kannst.«
    Jetzt hörten sie deutlich, dass auf der Treppe nackte Füße patschten. Sie gaben alle Vorsicht auf und sprangen die Stufen mehr hinab, als dass sie darauf liefen. »Dumakum!«, brüllte es über ihnen.
    »Lauft die Rampe hinunter, ich komme nach«, hörte Finn den Freund hinter sich zischen, als sie die letzten beiden Stufen überwanden. Finn setzte Gatabaid ab; sich an den Händen haltend, rannten sie die nach rechts gebogene Fläche hinunter.
    Ein Blick zurück zeigte jetzt überall Gidrogs. Einige schickten sich an, die Höhe des Walls zu erklimmen. Fackeln tanzten über die erste Rampe und die dortige Treppe; drei oder vier kamen von oben herab: über die Treppe, auf der die Vahits noch vor wenigen Atemzügen gewesen waren. Finn hörte es von oben brüllen, und er glaubte, wenigstens einen Arm zu sehen, der in ihre Richtung zeigte. Das Gebrüll wurde vom Wachtfeuer her beantwortet. Dann kam etwas förmlich über die Rampe geschossen: Mellow rannte hinter ihnen her, so schnell es das schwere Schwert und seine kurzen Beine gestatteten; seinen Stab hatte er verloren.
    Die Kurve der Rampe spuckte sie aus.
    Sie rannten plötzlich wieder über Gras und feuchten Boden und weiter in eine rasch zunehmende, tiefe Dunkelheit hinein. Da krachte es am Fuß der Treppe, und ein Schmerzensschrei ging in einem Rumpeln und Plumpsen unter.
    »Oh«, machte Mellow leise, als sie um eine Baumgruppe gelaufen waren und kurz innehielten, um Atem zu schöpfen. »Da hat wohl jemand meinen Stab übersehen, fürchte ich. Er passte genau zwischen Brüstung und Mauer, und ich dachte mir, wenn schon, dann wäre es genau richtig, das Stöckchen etwa in Kniehöhe einzuklemmen.«
    »Das Stöckchen?« Finn keuchte vor Anstrengung.
    Mellow grinste Finn an und zuckte die Schultern. »Ein kleiner Krötenspaß, sozusagen.«
    Finn starrte ihn entgeistert an. »Ein was?«
    »Vergiss es«, winkte der Landhüter ab. »Wohin jetzt?«
    »Nur weg hier, Mellow. Und geradeaus, wenn es geht. Dort vorn sind Hügel, glaube ich.

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